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Maennerschlussverkauf - Roman

Maennerschlussverkauf - Roman

Titel: Maennerschlussverkauf - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natascha Sagorski
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Tränen in meinen Augen glitzern. Gleichzeitig klopft mein Herz noch wilder. Endlich habe ich alles ausgesprochen! Jetzt weiß Tom alles. Was wird er sagen? Wie wird er reagieren? Wo ist er?
    Suchend lasse ich erneut den Blick über das Publikum schweifen. Ich habe Toms Platz immer noch nicht entdecken können, deswegen suche ich nun die Reihen nach einer Person ab, die aufsteht. Eigentlich dürfte in diesem Moment nur eine einzige Person aufstehen und auf die Bühne eilen. Und diese Person ist Tom.
    Das Scheinwerferlicht blendet mich dermaßen, dass ich nicht viel erkennen kann, als der Saal in Bewegung gerät. Alle blicken sich um und suchen nach Tom. Jeder will sehen, wie er aufsteht und zu mir nach vorn eilt, um dort das große Happy End zu vollziehen. Irgendein findiger Regisseur hinter den Kulissen sieht offenbar genau das kommen und beschließt – immerhin sind wir beim Deutschen Fernsehpreis –, die Situation mediengewaltig zu nutzen. Aus den Lautsprecherboxen ertönen die ersten Takte von Lionel Richies »My Destiny«. Spätestens beim Refrain, als Lionel »You are my destiny, you are my one and only« schmettert, tobt die Menge!
    Die Leute stehen auf, klatschen im Takt und suchen weiter begeistert die Halle nach dem auf die Bühne eilenden Tom Vanderscheid ab. Mich überkommt ein unbeschreibliches Hochgefühl, denn ich kann es kaum erwarten, dass Tom endlich vor mir steht und wir uns endlich wieder in die Arme schließen! Ich komme mir ein bisschen vor wie Baby in Dirty Dancing , als sie allein auf der Bühne steht, kurz bevor sie mit dem heißen Tanzlehrer, der ihre große Liebe ist, übers Parkett wirbelt und alle den beiden zujubeln. Hier ist es so ähnlich, und als nun auch noch ein Regen aus goldfarbenem Glitter auf mich niederrieselt, während Lionels Satz »You gave that joy to me!« aus den Boxen dröhnt, habe ich das Gefühl, ich könnte vor lauter hysterischen Schmetterlingen im Bauch platzen!
    Aufgeregt schirme ich die Augen mit der Hand gegen das Scheinwerferlicht ab, um Tom besser erkennen zu können, wenn er kommt. Mittlerweile haben auch die Fotografen angefangen mich abzulichten, und dank der Blitzlichter sehe ich nun wirklich so gut wie gar nichts mehr. Als der Refrain zum dritten Mal erklingt, mischt sich allmählich ein ungutes Gefühl in meine Euphorie. Okay, der Saal ist groß, aber müsste Tom nicht langsam vorn angekommen sein? Zumal ich annehme, dass er als Tagesschau -Sprecher und prominentes Gesicht nicht allzu weit hinten positioniert worden ist …
    Die Menge auf den Sitzen stellt sich mittlerweile offensichtlich die gleiche Frage wie ich, denn langsam setzt immer lauter werdendes Getuschel ein, und die Regie dreht Lionel Richie ein ganzes Stück lauter, um die aufkommende Unruhe zu übertönen. Das funktioniert aber nur ein paar Augenblicke lang, denn als das Lied nach einer gefühlten Ewigkeit zu Ende ist und die Musik immer leiser wird, hören die Leute auf, sich suchend im Publikum umzuschauen, und alle Blicke ruhen wieder auf mir.
    Ich stehe immer noch oben auf der Bühne. Allein. Kein Tom in Sicht. Dafür habe ich jede Menge Flitterkram im Haar, der sich in meiner mit Haarspray fixierten Hochsteckfrisur festgesetzt hat. Als die Regie aus lauter Verzweiflung das Lied noch mal von vorn einspielt, ertönen die ersten Buhrufe im Saal. Ich weiß nicht, was ich tun soll, und bleibe daher einfach wie angewurzelt stehen. Langsam wird mir bewusst, dass Tom nicht auf die Bühne kommen wird. Da wird mir erst so richtig klar, was ich gerade getan habe. Ich habe vor der versammelten Fernsehlandschaft Deutschlands einem Mann, der mich wahrscheinlich hasst, ein überaus kitschiges Liebesgeständnis gemacht, woraufhin er sich ganz offensichtlich entsetzt vom Acker gemacht hat!
    Je klarer mir wird, was da gerade geschieht, desto fassungsloser bin ich, und meine Stimmung schlägt um. Auf diese Art und Weise gedemütigt zu werden ist ja fast noch schlimmer, als einen Tag vor der Hochzeit von seinem Verlobten auf der eigenen Couch betrogen zu werden!!! Zumindest bekommen diese Blamage hier wesentlich mehr Menschen mit, überlege ich mir, während die Fotografen nun wie verrückt auf die Auslöser drücken und mich ablichten, als gäbe es kein Morgen. Als das Murren und die Buhrufe im Zuschauerraum immer lauter werden, beschließt wohl auch die Regie, dass es keinen Sinn hat, auf ein fröhliches und quotenbringendes Happy End zu warten, und dreht Lionel mitten im Refrain den Saft ab. Jetzt

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