Maennerschlussverkauf - Roman
gesehen«, antwortet sie. »Aber jetzt weißt du immerhin, dass er wirklich da ist. Warte die Verleihung ab, lass ihn runterkommen und vielleicht einen Drink nehmen. Auf der Party hinterher sprichst du ihn dann in Ruhe an«, flüstert sie mir ins Ohr und schiebt mich weiter zu den wartenden Journalisten, damit ich die obligatorischen Miniinterviews hinter mich bringen kann.
Allerdings bin ich ganz und gar nicht bei der Sache. Die ganze Zeit frage ich mich, was das eben war. Ich habe genau gespürt, dass ihn das Wiedersehen genauso tief berührt hat wie mich. Aber irgendwie hat ihn etwas zurückgehalten. So als wäre ich eine Versuchung, der er unbedingt widerstehen muss. Ich habe bis eben gedacht, wenn wir uns nur endlich wieder in die Augen schauen könnten, wäre alles klar. Irgendwie war es ja auch so. Jedenfalls bis er sich zusammengerissen hat und geflüchtet ist. Als ob ich Cholera hätte oder so. Ich weiß nicht, ob ich verletzt oder einfach nur enttäuscht oder besser schockiert sein soll. Oder alles zusammen? Das war jedenfalls ein sehr merkwürdiges erstes Wiedersehen. Das zweite wird bestimmt besser. Zumindest versuche ich mir das einzureden.
Als wir endlich das Foyer erreichen, verdrehe ich mir fast den Hals, um Tom zu entdecken, doch wir sind recht spät dran und werden direkt in den Saal gebeten, wo wir Manuel und die anderen wiedertreffen. Kurz darauf fängt die Show auch schon an, allerdings bin ich so abgelenkt, dass ich kaum etwas mitbekomme. Ich blicke mich die ganze Zeit immer wieder verstohlen im Saal um, um herauszufinden, ob Tom in der Nähe sitzt, kann ihn jedoch nirgendwo entdecken. Dafür thront zwei Reihen hinter mir Marco Tossi neben einer fantastisch aussehenden Schwarzhaarigen und zwinkert mir verschwörerisch zu. Schnell drehe ich mich wieder um. Ich weiß nämlich sehr genau, wer die dunkle Schönheit an seiner Seite ist. Warum unsere Knutschfotos nie veröffentlicht wurden, weiß ich inzwischen auch. Die Dame ist nämlich Marcos Frau!
Die Tatsache, dass er mit einem italienischen Unterwäschemodel verheiratet ist, hat er bis vor kurzem gut unter Verschluss gehalten, vermutlich um sein Image als Frauenschwarm nicht zu gefährden. Jedenfalls fand Signora Tossi das verständlicherweise nicht so prickelnd und ist ihm kurzerhand nach München hinterhergereist. Wie es der Zufall will, war das ziemlich genau zum Zeitpunkt unseres verhängnisvollen Dates. Da die Medienprofis beim FC Bayern auf Skandale dieser Art nicht wirklich erpicht sind, haben sie dafür gesorgt, dass die Knutschfotos in den Redaktionsgiftschränken gelandet sind. Keine Ahnung, wie sie das geschafft haben, aber als Manuel (der glücklicherweise immer alles weiß) mir die Geschichte erzählt hat, habe ich mir gleich am nächsten Tag einen FC -Bayern-Kuschelpulli (in pink – kreisch!) gekauft und beschlossen, offizieller Fan des Vereins zu werden.
Als ich mir noch mal kopfschüttelnd ins Gedächtnis rufe, wie absurd das Ganze war, kneift Leonie mir aufgeregt in den Oberschenkel und deutet quietschend auf die Leinwand. Dort erscheint mein Bild, und ich kann gerade noch hören, wie Judith Rakers sagt: »Der Deutsche Fernsehpreis in der Kategorie beste Nachwuchsmoderatorin geht dieses Jahr an … ANNA ABENDROT !!!!«
Da springen auch schon alle neben mir auf und klatschen wie wild. Leonie und Manuel weinen, Alex und Torben jubeln und pfeifen synchron. Ich bleibe erst mal total erschrocken sitzen und komme mir vor wie das Häschen in der Grube. Bis Leonie und Manuel mich aus meinem Sitz ziehen und mich mehr oder weniger sanft in Richtung Bühne schubsen. Um mich herum sind überall Kameras und strahlende Gesichter. Immer noch schockiert laufe ich die schmale Gasse in Richtung Bühne nach vorn, und als ich schließlich oben stehe und von Frau Rakers den Preis und Küsschen entgegennehme, kann ich nach wie vor kaum fassen, was da gerade passiert.
Die Scheinwerfer blenden mich, und als mir klar wird, dass ich vor einem Mikrofon stehe und alle von mir erwarten, dass ich etwas sage, bekomme ich Panik. Entgegen den Ratschlägen meiner Mitbewohner habe ich mir natürlich keine Dankesrede ausgedacht, schließlich war ich viel zu beschäftigt damit, mein großes Wiedersehen mit Tom zu planen. Aber nun ist der ganze Saal still, und alle starren mich an. Wohl oder übel muss ich also irgendetwas sagen.
WAAHHHHHHHHH !!!
Ich habe wirklich keine Ahnung, was ich von mir geben soll. Um Zeit zu gewinnen, räuspere ich mich erst ein
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