Maennerschlussverkauf - Roman
sind der Meinung, ich würde mich wie besessen auf das Wiedersehen mit Tom vorbereiten, und wahrscheinlich stimmt das auch. Aber gibt es nicht schlimmere Dinge, von denen man besessen sein kann, als von der Vorstellung, seine große Liebe wiederzusehen? Den großen Moment stelle ich mir übrigens so vor: Toms und meine Blicke werden sich kreuzen, er wird mir tief in die Augen blicken, ich ihm auch, und in diesem Moment wird alles egal sein. Er wird alles vergessen. Ich werde alles vergessen. Wir werden einfach nur aufeinander zurennen und uns in die Arme schließen. Unsere Lippen werden sich zu einem nicht enden wollenden Kuss treffen. So weit mein Plan, wie die Realität aussehen wird, weiß ich natürlich nicht.
Ich weiß nur eines: Tom steht auf der Gästeliste, er wird also da sein. Kein Wunder, dass ich so nervös bin wie noch nie in meinem Leben.
Die Limousine, in der ich mit Leonie sitze, nähert sich dem Coloneum, wo die Verleihung stattfinden wird. Wir sind heute Morgen in Köln gelandet, und zur Feier des besonderen Tages sind nicht nur Leonie, sondern auch Manuel und Alex und sogar Torben mit angereist. Die drei sitzen in der Limousine hinter uns, damit wir Mädels unter uns sein können. Darüber bin ich sehr froh, denn seit wir im Hotel losgefahren sind, kaue ich wie eine Irre auf den Lippen rum. Woraufhin Leonie mir das Lipgloss nachzieht und ich sie frage, ob Tom wirklich da sein wird. Was sie bejaht. Woraufhin ich wieder auf den Lippen rumkaue und das Ganze von vorn losgeht. Ganz ehrlich, kein Mann würde so was länger als zwei Minuten mitmachen.
Als der Chauffeur schließlich hält und wir darauf warten, dass man uns die Tür öffnet, drückt Leonie mir noch mal ganz fest die Hand. Danach geht es los. Die Autotür wird geöffnet, und wir betreten den roten Teppich. Ich war in den letzten Wochen auf einigen Events und habe deswegen mitbekommen, was in dem Moment so alles passiert, dennoch überwältigt es mich immer wieder. Fotografen schreien, Teenies wollen Autogramme, manche Zuschauer klatschen spontan – es ist unglaublich und vor allem unglaublich laut.
Die ganze Zeit möchte ich mir ins Gesicht fassen, weil ich denke, dass dort irgendetwas Ekelhaftes klebt und die Leute mich in Wahrheit deswegen alle anstarren. Das verunsichert mich jedes Mal total, und auch auf diesem roten Teppich muss Leonie mich sanft nach vorn stupsen, damit ich überhaupt weitergehe. Wenn große Schauspieler, die etwas geleistet haben, derart gefeiert werden, dann ist das in Ordnung. Aber ich bin einfach nur jemand, der irgendwie in eine Klatschsendung reingestolpert ist und jetzt vor sich hin moderiert. Vielleicht bin ich ein bisschen anders als die meisten anderen in der Branche, aber Großartiges geleistet habe ich deswegen noch lange nicht. Insofern ist es mir nach wie vor unangenehm, über den roten Teppich zu laufen. So wie beim ersten Mal, als ich mit Tom auf der Premiere dieses Ryan-Reynold-Films war …
Just in dem Moment, als ich mich an diesen … nun ja … legendären Abend erinnere, passiert es! Wie aus dem Nichts durchzuckt mich etwas, das sich anfühlt wie ein Stromstoß. Mit klopfendem Herzen drehe ich mich um, blicke auf und … schaue genau in Toms Augen! Er steht circa zwanzig Meter von uns entfernt und hat sich auch zu mir umgedreht.
Es ist tatsächlich so wie in meiner Fantasie. Er starrt mich an, ich starre ihn an, unsere Blicke verschmelzen. Wir sind beide wie hypnotisiert, und die Welt dreht sich ein kleines Stückchen langsamer. Nur mein Herz, das klopft so schnell, dass ich das Gefühl habe, alle könnten es durch meine Korsage hindurchspringen sehen. Ich merke, wie ich anfange zu strahlen. Ich kann nicht anders. Das Strahlen kriecht von der Bauchhöhle über den Hals bis zu meinem Mund. Tom zu sehen fühlt sich einfach an wie … nach Hause kommen! Nur spannender.
»Hi«, forme ich stumm mit den Lippen und strahle weiter.
Regungslos starrt er auf meinen Mund, und gerade als ich denke, dass er jeden Moment auf mich zurennen und mich küssen wird, versteifen sich seine Gesichtszüge, und er nickt mir kurz zu. Dann dreht er sich um und läuft ohne einen weiteren Blick davon. Mein Strahlen erstirbt augenblicklich. Das läuft jetzt aber nicht mehr so wie in meiner Fantasie!!!
»Was war das denn?«, murmele ich vor mich hin, und Leonie, der unser kurzes Blicke-Intermezzo nicht entgangen ist, starrt mich mindestens genauso verwirrt an.
»Der sah aus, als hätte er gerade einen Geist
Weitere Kostenlose Bücher