Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
Fensterbrett geschlagen und starrte vor sich hin. Das Feuer, das über ihn gekommen war, hatte ihm keine Zeit gelassen, zu denken, sich zu wehren oder zu flüchten. Um so mehr war die grauenhafte Leere, die jetzt um ihn war, wie eine luftleere Kammer, in der er ersticken sollte. Das Teuflische seines Schicksals warf ihn fast um, und er hatte eine wahnsinnige Lust in sich, erst mit dem Kopf gegen die Mauer zu rennen und sich dann aus dem Fenster zu stürzen. Er wußte nicht, was er tun sollte; er wußte nicht, wie es weitergehen würde, und er empfand eine geradezu panische Angst vor dem Augenblick, in dem er auf Zimmer 5 dem Patienten Karl Frerich gegenübertreten mußte, um ihm die liebevollen Grüße seiner Frau zu bestellen. Es gab da kein Ausweichen, er mußte es tun, denn Evelyn würde nach den Grüßen fragen, wenn sie morgen kam.
    Aus seinen verzweifelten Gedanken erschreckte ihn Dr. Bernfeld. »Wo stecken Sie denn?« rief er durch einen Spalt der Tür. Dann kam er ins Zimmer und sah Beißelmann zusammengesunken am Fenster sitzen. Das Bett war zerwühlt und aus der peinlichen Ordnung gerissen. »Sind Sie krank?«
    »Ich weiß nicht …« Beißelmann erhob sich schwerfällig. Dr. Bernfeld legte die Hand auf Beißelmanns Stirn und schüttelte den Kopf. »Fieber haben Sie nicht.«
    »Es gibt ein anderes Fieber«, sagte Beißelmann dumpf.
    »Natürlich. Aber Sie haben ja keine Malaria.«
    »Nein.«
    »Was haben Sie denn? Haben Sie Schmerzen?«
    »Nein.«
    »Sind Sie schwindelig?«
    »Nein.«
    »Überarbeitet?«
    »Vielleicht.«
    »Luft fehlt Ihnen. Das ist alles! Immer hocken Sie hier im Haus, in Ihrer Miefbude, im Labor, im OP. Und draußen scheint die Sonne, ist ein herrlicher Sommertag, blüht die Natur … Mensch, Beißelmann, hauen Sie ab! Ich nehme es auf mich! Gehen Sie spazieren, den ganzen Tag, bis zum Abendessen. Lüften Sie sich mal aus … Sie sind wie ein alter, muffiger Anzug, der jahrelang im dunklen Schrank gehangen hat! Stellen Sie sich in die Sonne und lassen Sie ihre eingemottete Seele durchwehen.«
    Beißelmann nickte. Er schlurfte zu seinem Spind, zog seinen weißen Kittel aus, band sich eine Krawatte um und kämmte sich die Haare. Seine weiße Klinikhose ließ er an. Mit maßloser Verwunderung sah Dr. Bernfeld zu. Er geht wirklich spazieren, dachte er. Das ist so ungeheuerlich, als wenn es jetzt draußen bei praller Sonne zu schneien beginnt.
    »Ihre Hose, Beißelmann«, sagte er.
    »Ich habe keine andere.« Der Krankenpfleger sah an sich herunter. »Vor zehn Jahren hatte ich mehrere, aber sie passen nicht mehr.«
    »Sie sollten sich welche kaufen.«
    »Warum?«
    Diese Warum-Fragen waren eine Abwehr, gegen die niemand ankam. Auch Prof. Morus nicht. Es gibt Dinge, die man einfach nicht logisch erklären kann.
    Dr. Bernfeld begleitete Beißelmann bis zum Vorgartentor. Er wollte diese Seltenheit bis zuletzt erleben: Beißelmann verläßt das Krankenhaus zu einem Spaziergang. Auch die Pfortenschwester hockte mit völlig entgeisterter Miene hinter dem Fenster und sah dem Krankenpfleger nach.
    Mit weitausgreifenden Schritten ging Beißelmann davon. Über die Straße, die Allee entlang, mit langen, schlenkernden Armen. Ein Riesenaffe, der entsprungen war.
    Am Abend war er pünktlich wieder zurück. Auf die Frage Dr. Bernfelds, wo er überall gewesen sei, sagte er: »Ach, nur so herum …« Nur die Stube 5 erlebte eine Überraschung nach dem Abendessen, während Ernst Brohl wieder Karten mischte und dieses Mal Paul Seußer mitspielte trotz seines Schluckaufs.
    Beißelmann erschien mit beiden Armen voll Päckchen. Er baute sie alle auf dem Tisch vor Karl Frerich auf. Der stille Selbstmörder saß im Bett und starrte ungläubig auf den Päckchenstapel.
    »Was ist denn das?« fragte er, als Beißelmann begann, die ersten Verschnürungen aufzuknoten.
    »Von Ihrer Frau.« Beißelmann schälte ein großes Stück Baumkuchen aus gefettetem Papier. »Sie war zum Röntgen hier, und ich soll Sie grüßen, und Sie käme morgen … Sie sollen keine Angst haben … und weil Sie so gerne Süßes essen, soll ich Ihnen das hier …« Er stockte und nagte an der Unterlippe. »Sie mögen doch Baumkuchen?«
    Karl Frerich senkte den Kopf. »Ja«, sagte er leise. »Sehr gern.«
    »Es … es soll eine Freude für Sie sein«, sagte Beißelmann gepreßt. »Auch Rotwein ist dabei … hat Ihre Frau gesagt …« Er suchte zwischen den Päckchen und schälte einen französischen Wein aus der Umhüllung.
    »Kinder!« sagte Brohl

Weitere Kostenlose Bücher