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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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rannten dann nach zwei Richtungen weiter. Seußer zum Treppenhaus, wo er wieder brüllte, und Ambrosius zum Ende der Station, wo Dr. Bernfeld aus dem Zimmer stürzte.
    »Was ist denn los?« rief Bernfeld.
    »Der Brohl ist plötzlich …« Ambrosius hob die Schulter.
    »Sauerei! Wo ist Schwester Angela?«
    »Nicht da!«
    »Und Beißelmann?«
    »Bei Brohl …«
    Mit langen Schritten rannte Dr. Bernfeld zu Zimmer 5. Paul Seußer stand noch immer im Treppenhaus und schrie »Schwester! Schwester!« Aus den anderen Stationen und Fluren liefen Küchenmädchen und Lernschwestern herbei und sahen Seußer an wie einen Wahnsinnigen. Selbst über das Treppengeländer sahen sie von den oberen Stockwerken hinab und wunderten sich über den Lärm. Erst als Seußer auf der Treppe Schwester Angela sah, die von Prof. Morus zurückkam, hörte er mit Rufen auf und zeigte mit ausgestrecktem Arm zum Flur der Station III.
    »Herr Brohl stirbt!« sagte er mit bebender Stimme. Schwester Angela sah ihn mißbilligend an, faltete die Hände und ging etwas schneller als bisher zu ihrer Station.
    Im Zimmer hatte Dr. Bernfeld den Oberkörper Brohls frei gemacht und horchte mit dem Stethoskop die Bronchien ab. Beißelmann hielt Brohls Arme fest; trotz seiner tiefen Bewußtlosigkeit schlug er noch immer um sich.
    Es war wie die Entladung einer elektrischen Spannung, als Schwester Angela, gefolgt von Seußer, hereinkam.
    »Wo sind Sie?« brüllte Beißelmann. »Sie haben alle recht: man kann verrecken, und keiner kümmert sich darum!«
    »Bitte, mäßigen Sie sich!« sagte Schwester Angela hart.
    »Mäßigen?! Bei Ihnen?! Wenn man Sie braucht, sind Sie nie da! Die Arbeit lassen Sie von anderen machen … von Inge, von den Lernschwestern, von den Hilfen … und wenn sich eine einmal beschwert, wenn jemand aufmuckt, dann schikanieren Sie sie bis aufs Blut! Dann jagen Sie sie hin und her wie Rekruten!«
    Schwester Angela sah Beißelmann aus ihren grauen Augen fragend an. Das Schimpfen störte sie nicht, die Beleidigungen nahm sie hin mit Gelassenheit; was sie verblüffte, war die Wandlung Beißelmanns. Woher kam diese plötzliche Auflehnung, woher das Temperament?
    Sie wandte sich ab und trat an das Bett. Dr. Bernfeld nickte stumm.
    »Auf zehn?« fragte Schwester Angela.
    »Ja. Aber ich rufe erst den Chef an.«
    »Gut. Ich mache Nummer zehn fertig.«
    Ohne sich um Beißelmann zu kümmern, verließ sie wieder das Zimmer und ging hinüber zu dem kleinen Einzelzimmer, der ›Himmelfahrtskammer‹, wie sie einmal ein Patient getauft hatte, den man auch in Nummer zehn gerollt hatte und der trotzdem überlebte.
    Auch Beißelmann ging hinaus, das schmale fahrbare Bett holen. Dr. Bernfeld folgte, um Prof. Morus anzurufen. Die Patienten von Zimmer 5 waren mit Brohl allein. Stumm saßen sie in ihren Betten oder standen herum und sahen auf das vergehende, wächserne Gesicht inmitten der Zellstofflagen, die den hellroten, feinen Blutfaden, der wie Sekt perlte, auffingen.
    »Das … das ist doch gar nicht möglich …«, sagte Staffner und legte die Hände an die Stelle, wo einmal sein Bein gewesen war. »Vor fünf Minuten hat er noch 'n Witz vom Stapel gelassen …«
    »Und so krank war er doch gar nicht.« Frerich schob die Päckchen weg. Der Appetit war verflogen, alles schmeckte bitter und würgte im Hals. »Ich habe immer gedacht: Warum ist er bloß hier? Nicht mal operiert haben sie ihn.«
    »Doch. So 'ne Probeoperation haben sie gemacht.«
    Paul Seußer wußte es genau. Er war der längste Patient auf Zimmer 5. »Aber dann kam der Brohl ganz glücklich zurück und sagte: Der Professor meint, es sei nicht nötig, zu operieren. Es regelt sich alles von selbst.«
    »Das sieht man«, sagte Staffner leise. »Und wie sich das von selbst regelt!«
    Heinrich Dormagen schwieg. Er lag ganz flach auf dem Rücken und hatte wieder beide Hände auf den Magen gedrückt. Eine kalte Angst ließ ihn wie gelähmt sein. Erna, seine Frau, hatte ihm am Sonntag wieder zwei Fleischwürste mitgebracht. In der Nacht hatte er sie mit Heißhunger gegessen. Aber schon eine Stunde später war der drückende Schmerz wiedergekommen, ein saures Aufstoßen, das Gefühl, ein Zentnergewicht läge auf dem Mageneingang. Dann hatte ein Stechen angefangen, das hinüber bis zum Rücken zog. Im Gaumen sammelte sich ein Geschmack wie Kloake … es mußte von Gasen herrühren, die aus dem Magen und durch die Speiseröhre bis in die Mundhöhle drangen.
    »Keine Sorge!« hatte bei der letzten Visite

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