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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Papier und zeigte darauf. Beißelmann sah fragend auf den Gegenstand.
    »Was ist das?« fragte Morus.
    »Eine Klammer. Eine Haarklammer, Herr Professor.«
    »Es verbinden sich mit dieser Haarklammer keine Erinnerungen, Beißelmann?«
    »Nein!« Das Gesicht des Krankenwärters wurde kantig. »Warum?«
    Es war die seltene Gelegenheit, daß auch Prof. Morus die Warum-Frage Beißelmanns beantworten konnte.
    »Sie lag vor Ihrem Bett! Ich nehme nicht an, daß sie irgendwelche Haarpartien mit Klammern feststecken!«
    »Nein«, sagte Beißelmann dumpf. Er hatte wieder das starre Gesicht einer Mumie mit leblosen Augen. Prof. Morus klopfte mit dem Fingerknöchel neben der Klammer auf den Tisch.
    »Es ist die Haarklammer einer blonden Frau! Was sagen Sie dazu?«
    »Ich habe keine Erfahrung in Haarklammern.«
    »Lassen Sie doch diese dummen Reden, Beißelmann! Wir sind hier nicht im Knast, wo man einen Kassiber abgefangen hat! Mit mir kann man reden, das sollten Sie wissen! Also, raus mit der Sprache: Hatten Sie eine blonde Frau im Bett?!«
    Beißelmann antwortete nicht. Der Ausdruck seiner Augen veränderte sich. Aus der leblosen Starre wurde ein sprühender Haß. Prof. Morus kannte das … dieser Ausdruck kehrte immer dann wieder, wenn Beißelmann sich an seine Frau erinnerte. Daß er auf diese Frau so reagierte, verblüffte Morus.
    »Also ja!« Morus beugte sich zu dem Krankenpfleger vor. »Mich gehen Ihre privaten Dinge nichts an, Beißelmann. Von mir aus legen Sie sich einen Harem zu … nur nicht im Krankenhaus! Ihr Zimmer ist ein Teil eines städtischen öffentlichen Gebäudes – um es genau zu sagen –, und ein Krankenhaus ist kein Puff! Was Sie außerhalb Ihres Zimmers tun, ist mir wurscht! Und wenn Sie weiter Ihre Pflicht tun wie bisher, ist mir alles egal … nur daß Sie Weiber auf Ihr Zimmer nehmen, gewissermaßen auf die Männerstation, das geht zu weit! Wir verstehen uns?«
    »Nein«, sagte Beißelmann rauh. Prof. Morus sah ruckartig auf.
    »Was heißt nein?«
    »Ich habe keine Geliebte.«
    »Die Haarklammer …«
    »Das hat einen anderen Grund.«
    »Dann erklären Sie ihn mir.«
    »Nein.«
    »So kommen wir nicht weiter, Beißelmann!«
    »Ich sagte Ihnen ja schon, Herr Professor: Lassen Sie mich versetzen. Am besten zurück ins Gefängnis. Da war es schön, da war Ruhe, da war alles genau geordnet, da wußte man, was morgen oder übermorgen sein würde, da fühlte ich mich wohl …« Beißelmanns Stimme wurde weich; wenn er vom Gefängnis sprach, war es, als schwärme er von einer Frau. Die zehn Jahre, die er in einer Einzelzelle gesessen hatte und im Gefängnisrevier arbeitete, hatten ihn völlig verwandelt. Er hatte sich so eingelebt, daß er – als Prof. Morus ihn nach der Begnadigung ins Krankenhaus nahm – sich in der plötzlichen Freiheit nicht zurechtfand, sich wieder in sein muffiges Zimmer auf der Station verkroch und so weiterlebte wie im Gefängnis, hin und her pendelnd zwischen Zelle und Krankenzimmer, eine kleine Welt, die für ihn groß genug war.
    Bis Evelyn Frerich kam. Die Frau eines Patienten. Bis Beißelmann genau das tat, was Dr. Pflüger getan hatte, und was man ihm angetan hatte und um dessentwillen er zum Doppelmörder geworden war. Ob diese Stunde mit Frau Frerich freiwillig war oder nicht, das war unwichtig für ihn. Er hatte es getan, und wenn er sich damals das Recht genommen hatte, diesen Betrug durch Töten zu sühnen, so stand auch Frerich das Recht zu, jetzt ihn zu töten.
    Prof. Morus winkte ab. So wird man nie etwas aus ihm herausbekommen, dachte er. Man wird ihn beobachten müssen. Diese blonde Frau war nicht nur einmal bei ihm, es sei denn, er habe sie von der Straße mitgebracht. Die Stimme Beißelmanns riß ihn aus seinen Gedanken.
    »Kann ich gehen, Herr Professor? Herr Brohl stirbt doch …«
    »Dr. Bernfeld ist bei ihm und Schwester Angela.«
    »Ein armer Mensch!«
    »Jede Minute stirbt ein Mensch, und jede fünfte Minute einer an Bronchial- oder Lungenkarzinom.«
    »Wie ohnmächtig wir doch sind, Herr Professor«, sagte Beißelmann leise. Prof. Morus drückte das Kinn an den Kragen.
    »Lenken Sie nicht ab, Beißelmann! Es geht hier nicht um Bronchialkrebs, sondern um eine Haarklammer.«
    »Was ist davon wichtiger, Herr Professor?«
    »Für mich im Moment die Haarklammer! Bronchialkrebs gibt's genug, nicht aber Haarklammern vor dem Bett Beißelmanns! Sie wollen mir also keine Auskunft geben?«
    »Nein!«
    »Raus!«
    »Danke, Herr Professor.«
    Lautlos verließ

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