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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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her leuchten.
    »Ich weiß nicht …«, sagte Inge unsicher. »Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Herr Dozent … Als Sie anriefen, habe ich gedacht …« Sie schwieg. Bloß nicht sagen, was man gedacht hat, sagte sie sich vor. Dr. Pflüger riß sich aus der Betrachtung der jungen Schwester los. Ein Vergleich mit Margot Staffner war aufgekommen: dort die reife, explosive Frau, die nichts verschenkte, ohne dafür zu fordern – und hier die zarte Jugend, die man aufblühen lassen mußte unter vorsichtiger Zärtlichkeit und behutsamer Führung durch die Gärten irdischer Paradiese.
    Dr. Pflüger kam in eine fast melancholische Stimmung. Wie alle Männer an der Grenze des Alterns verband er die Erwartung eines Erlebnisses mit der Jugend mit gauklerischen Träumen von der eigenen Kunst des Lebens.
    »Was haben Sie morgen abend vor?« fragte er unvermittelt.
    Inge Parth zuckte zusammen. »Nichts. Doch, ja … ich habe Nachtwache.«
    »Wer hat das eingeteilt?«
    »Schwester Angela.«
    »Wir werden mit ihr sprechen.« Dr. Pflüger lächelte väterlich. »Ich habe nämlich morgen abend Gelegenheit, eine interessante Sammlung der Universitätsklinik zu besichtigen. Dazu hätte ich Sie gerne mitgenommen. Es ist sehr lehrreich. Professor von Bergen hat selbst die Führung übernommen …«
    »Es wird nicht gehen.« Inge Parth hob die Schultern. »Es wäre bestimmt interessant geworden … aber die Nachtwache …«
    »Daran soll es nicht liegen. Wir sprechen noch darüber.« Er sah auf seine goldene Armbanduhr und pfiff leise vor sich hin. »Hui … in einer halben Stunde beginnt der Kursus. Bis dahin habe ich noch viel zu tun.« Er nickte Schwester Inge zu und war jetzt amtlich, der I. Oberarzt und Stellvertreter des Chefs. »Es freut mich, daß wir uns so gut verstehen … wir sehen uns nachher wieder!«
    Verwirrt verließ Inge Parth das Oberarztzimmer. Auf dem Flur blieb sie stehen und strich sich wieder eine Strähne aus der Stirn und stopfte sie unter den Haubenrand. Am Ende des Flures, zum Ausgang in das Treppenhaus, sah sie die lange, vornübergebeugte Gestalt Beißelmanns. Er wartete auf sie, und auf einmal empfand sie es als dumm, daß man sie für so wenig erwachsen hielt, nicht einmal mit dem I. Oberarzt zu sprechen. Sie warf den Kopf in den Nacken und ging mit forschen Schritten auf Beißelmann zu.
    »Nun?« fragte er, als sie an ihm vorbeiging. »Was wollte er?«
    In seiner Stimme lag ehrliche Sorge, aber Inge hörte es nicht. Sie verhielt kurz den Schritt und blitzte den Krankenpfleger an.
    »Der Herr Dozent wollte wissen«, sagte sie schnippisch, »ob in diesem Haus die Krankenpfleger so wenig zu tun haben, daß sie an Ecken herumlungern können.«
    Dann ging sie weiter. Aber sie war auf einmal weniger stolz. Sie schämte sich, kaum daß sie diese Worte gesagt hatte. Was hatte Beißelmann ihr getan? Er war ein Rätsel der ganzen Station III, ja des ganzen Krankenhauses, niemand liebte ihn, keinen hatte er als Freund … und nun, da er einmal ein wenig Herz zeigte, stieß man ihn weg wie einen dreckigen, bettelnden Hund.
    Schwester Inge blieb stehen, senkte wie ein schuldbewußtes Schulmädchen den Kopf und drehte sich um.
    Sie wollte sich bei Beißelmann entschuldigen; aber der Flur war leer. Er war, lautlos wie immer, gegangen.
    Am Abend, kurz nach neunzehn Uhr, wurde ein Unfall eingeliefert. Dr. Pflüger und Dr. Bernfeld behandelten ihn sofort im kleinen OP … Innere Quetschungen, komplizierter Bruch des linken Knöchels, Schnittverletzungen im Gesicht, ausgekugelter linker Arm und – als kritischste Verletzung – ein Schädelbasisbruch. Gottlob nicht doppelt, aber zusammen mit den anderen Verletzungen und dem sichtlichen Nervenschock genügte es, die Einlieferung als mittelschweren Fall einzustufen. Ein Fall für Männerstation III und Zimmer 5.
    Dr. Pflüger und Dr. Bernfeld arbeiteten fast zwei Stunden an dem Verunglückten. Noch bevor sie mit der eigentlichen chirurgischen Behandlung beginnen konnten, mußten sie der mitgekommenen Funkstreife der Polizei eine Blutprobe aushändigen, die ohne Zweifel einen hohen Blutalkoholgehalt aufwies. Schon beim Hinüberbeugen über den Verletzten, um das Herz abzuhören, hatte Dr. Pflüger die Nase gerümpft.
    »Trunkenheit«, hatte er zu Dr. Bernfeld gesagt. »Immer das alte Lied.« Er sah die Polizisten an, die die Trage umstanden. »Was ist passiert, meine Herren?«
    »Totalschaden. Ein Kind lief ihm in den Wagen; er hat eine Sekunde zu spät reagiert und das

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