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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Steuer erst rumgerissen, als das Kind schon unter den Vorderrädern lag. Und dann gegen eine Hauswand, mit voller Kraft, ohne zu bremsen.«
    »Und das Kind?«
    »Ist schon nebenan in der Kinderstation, hoffnungslos.«
    »Schöne Sauerei!« Dr. Pflüger hatte den blutverschmierten Mann auf der Trage betrachtet. Es war schwer, ihn in diesem Zustand zu bewerten. Erst später, nach der Operation, las Dr. Pflüger die Papiere.
    Peter-Paul Sencker. Handelsvertreter. Fünfunddreißig Jahre alt. Verheiratet mit Hanna, geborene Buschmeier. Wohnung auf der Ulmenallee sechsunddreißig.
    Eine Villengegend, dachte Pflüger. Neu gebaute Häuser im Bungalowstil. Preislage um dreihunderttausend Mark. Die Handelsvertretung mußte sich lohnen. Es war anzunehmen, daß es damit nun vorbei war. Trunkenheit am Steuer. Fahrlässige Tötung. Gefängnis und Führerscheinentzug.
    Vier Gläschen Kognak und vier kühle Bier, nach einem heißen Sommertag am Abend hinuntergestürzt, hatten ein Kinderleben und einen Beruf vernichtet.
    Dr. Pflüger legte die Papiere zu den Einlieferungsformularen. Die Benachrichtigung der Ehefrau Hanna hatte die Polizei übernommen. Allen Erfahrungen nach war sie in spätestens einer halben Stunde im Krankenhaus.
    Aber niemand kam. Als Peter-Paul Sencker nach zwei Stunden bandagiert und noch in der Narkose aus dem OP gerollt wurde, hatte sich auf Station III noch keine Frau Sencker gemeldet. Nicht persönlich und nicht telefonisch. Dr. Bernfeld hob die Schultern, während Beißelmann und Schwester Angela unter der stummen Teilnahme der anderen Patienten von Zimmer 5 den Verunglückten von dem fahrbaren Bett in das Stationsbett hoben.
    »Frau verreist«, sagte er zu Dr. Pflüger. »Ist eigentlich typisch. Wehe, wenn sie losgelassen …«
    »Rufen Sie sofort die Polizei an.« Oberarzt Dr. Pflüger ging in Gegenwart der Schwestern, Patienten und Beißelmanns nicht auf den vertrauten Ton ein, den er sonst mit Dr. Bernfeld hatte. Die äußere Form der Distanz zwischen Stationsarzt und I. Oberarzt muß gewahrt werden und deutlich sein. »Wenn keine Angehörigen zu Hause sind, muß festgestellt werden, wer für die Kosten aufkommt. Ob Kasse, Privatversicherung oder so …«
    »Ohne Krankenschein keine Pflästerchen«, sagte Lukas Ambrosius aus seinem Bett. »Und wenn er privat ist, bläst man ihm sogar Zucker in den Hintern …«
    »Und die Tüte hinterher, wenn er's will …«, vollendete Staffner den Satz.
    Dr. Pflüger überhörte es. Nur Schwester Angela sah sich giftig um. Sie war wundervoll zu ärgern, das hatte man auf der Männerstation III schnell heraus. Es genügte nur eine Bemerkung wie: »Was heißt ›ora et labora‹? – Bete und vergiß die Kranken …« und Schwester Angela wurde giftig wie eine Kobra.
    Dann lag der Handelsvertreter Peter-Paul Sencker im Bett, bandagiert, röchelnd, mit zuckenden Händen. In der kurzen Zwischenzeit, die nach dem Weggehen der Ärzte und dem Erscheinen Schwester Inges als Nachtwache verging, kletterte Lukas Ambrosius aus dem Bett und beugte sich über den Verunglückten.
    »Kinder, hat der 'ne Fahne. Das gibt noch 'n paar fröhliche Tage. Verhöre am Krankenbett, lamentierende Frau, Besuche des Rechtsanwaltes … jetzt läuft hier 'n Film ab … Ihr sollt es sehen, ich hab's bei meinem Schwager erlebt.«
    Kurz darauf erschien Schwester Inge, und sie erzählte Einzelheiten.
    »Das Kind ist tot«, sagte sie. »Vor zehn Minuten gestorben. Die Mutter ist bei ihm und schreit fürchterlich. Keiner kann sie beruhigen. Und sie will immer hierhin, um den ›Mörder‹ – wie sie schreit – zu sehen.«
    »Hab ich's nicht gesagt?« rief Lukas Ambrosius. »Das gibt 'ne tragische Oper.«
    »Mensch, halt die blöde Schnauze.« Hieronymus Staffner starrte an die Decke des Zimmers. »Wenn ich darüber nachdenke, daß ein versoffenes Schwein mein Kind umfährt … den brächte ich um!«
    »Man kann es gar nicht hart genug bestrafen«, sagte Heinrich Dormagen. Der Schock nach dem Tode Brohls hatte in ihm eine Veränderung hervorgerufen. Der fade Geschmack im Mund, der aus dem Magen aufstieg, war fort. Auch der dumpfe Druck und der Schmerz unterhalb der Einmündung der Speiseröhre in den Magen. Er war praktisch beschwerdefrei, ganz plötzlich, als er sich in diese heiße Angst hineingesteigert hatte, er könnte Magenkrebs haben. Dr. Pflüger, dem er das gesagt hatte, hatte ihm freundlich auf die schlaffe Hand geklopft.
    »Sehen Sie, sehen Sie … wer hat nun wieder recht gehabt? Nichts

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