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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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als Nervosität … Aber man glaubt uns ja nicht. Man liest ja so viele Artikel über Krebs und verschlingt die Phantasieschilderungen der Schriftsteller so lange, bis man sich überfüttert hat und alles wieder ausrülpst. Nun werden wir sehen, Herr Dormagen, wie alles wieder in Schwung kommt.«
    Dr. Bernfeld wandte sich während dieser Rede ab. Er war noch nicht so sehr abgebrüht, um ruhig in diese hoffnungsglänzenden Augen des Mannes zu sehen, von dem Prof. Morus sagte, daß es höchstens noch sechs Wochen ginge. Man wollte ihn nächste Woche entlassen. Sterben konnte er zu Hause. Ein Pflegefall gehört nicht in ein Krankenhaus, er nimmt nur das Bett weg, das Patienten mit Aussicht auf Heilung benötigen. Das ist ein alter Grundsatz deutscher Kliniken, daß in ihnen geheilt, aber nicht gestorben werden soll. Für das letztere ist das eigene Bett der angemessene Platz.
    Paul Seußer mit seinem ewigen Schluckauf, den Prof. Morus als medizinische Kuriosität vorstellte, weil er nach einem glänzend gelungenen Billroth II auftrat und nicht zu beheben war, was man Paul Seußer aber noch nicht mitgeteilt hatte, war aufgestanden und hielt die Nierenschale unter das Kinn Peter-Paul Senckers, als Schwester Inge eine Lage Zellstoff holen mußte. Schwester Angela war in Zimmer 2, wo ein Prostataoperierter phantasierte, Beißelmann stand mit Dr. Bernfeld in Zimmer 7; dort war die Naht einer Hernie aufgeplatzt, nicht viel, nur ein kurzes Stück, und Dr. Bernfeld nähte sie an Ort und Stelle, während Beißelmann die Sterilität übernahm.
    »Wer weiß, warum er getrunken hat?« sagte Seußer. Der Verunglückte kehrte aus der Narkose zurück. Er seufzte tief, zitterte heftig, wurde unruhig und stöhnte plötzlich.
    »Ganz gleich, warum.« Staffner war unnachgiebig. »Besoffen fährt man nicht.«
    Peter-Paul Sencker riß die Augen weit auf und starrte Seußer an, der die Schale unter seinen Mund hielt.
    »Das Kind«, brüllte der Mann plötzlich und zuckte hoch. »Das Kind …« Schwester Inge stürzte ans Bett; mit vereinten Kräften gelang es ihr und Seußer, Sencker in die Kissen zurückzudrücken. Aber der Mann hatte trotz seiner Verletzungen unglaubliche Kräfte. Er schien keine Schmerzen zu spüren, weder im Schädel noch im Knöchel noch an den Rippen; er bäumte sich immer wieder hoch und schrie grell.
    »Monika … Monika … Das Kind!«
    Er stöhnte und fiel dann in tiefe Ohnmacht. Speichel und Blut liefen aus seinem Mund; Schwester Inge tupfte es mit Zellstoff weg und kontrollierte Puls und Atmung.
    Im Zimmer 5 war es still. Der kurze Augenblick der Erinnerung Senckers hatte allen das Grauen des Unfalls gezeigt. Sie brauchten keine Erklärungen mehr, wie es geschehen war … dieser Aufschrei, dieses Entsetzen Senckers, das verriet mehr als Hunderte von Worten.
    In der Nacht löste Beißelmann Schwester Inge ab. Er tat es freiwillig, denn die Wache hatte heute Schwester Angela. Sie saß aber nicht am Krankenbett, sondern hockte in ihrem kleinen Stationsschwesternzimmer neben der Teeküche und kam nur, wenn aus den Zimmern geklingelt wurde und über den Türen die Ruflämpchen aufflammten und die Stations- und Zimmernummer auf der großen Kontrolltafel, die in der Mitte des Stationsganges von der Decke herabhing. Mehr brauchte Schwester Angela auch nicht zu tun. Seit Jahren kämpfte Prof. Dr. Morus um eine sogenannte ›Wachstation‹, in die alle Frischoperierten gelegt werden sollten, bis die Krisis überwunden war; so standen sie Tag und Nacht unter ständiger Kontrolle. Bis jetzt war diese ›Wachstation‹ eine Utopie geblieben und scheiterte an dem Gegenruf der Verwaltungsdirektion: Zu teuer. Wer soll das bezahlen? Wo sollen wir die Schwestern herbekommen? Es fehlen in der Stadtkasse Tausende von Mark.
    Dann bezahlt die anderen Schwestern besser, forderte Prof. Morus.
    Wovon? lautete die Gegenfrage.
    Wenn man Milliarden für die Rüstung ausgibt, dann sollten auch ein paar Millionen für die bessere Besoldung der Schwestern dasein, zum Wohle der Kranken in einem sozialen, sich christlich nennenden demokratischen Staat … sagte Prof. Morus.
    Und die Antwort war immer die gleiche: Bitte, sagen Sie das Bonn.
    Es war ein Weg, den zu betreten Prof. Morus als Utopie ansah. Nach seiner Meinung lagen die Politiker, die das Volksvermögen verteilten, im Bedarfsfalle I. Klasse und hatten ihre eigene Krankenschwester. Aus dieser Perspektive schien ihm der Ruf einer Schwesternreform nicht mehr verständlich …
    So sprang

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