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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haltlos.
    Das Erscheinen Beißelmanns war wie ein Schreck; alle zuckten zusammen, als er lautlos im Zimmer stand. Er sah sich um und blickte in fragende, mitleidvolle Augen, in denen das Entsetzen sich nicht mehr verbergen konnte.
    »Sie ist weg«, sagte Beißelmann mit seiner dumpfen Stimme. »Morgen wird alles anders sein … Morgen ist immer alles anders …«
    »Warum bin ich nicht tot«, weinte Sencker. Er biß in das Kissen neben sich und krallte die Finger in die Bettdecke. »Warum lebe ich … Ich will sterben … ich will sterben …«
    Die Männer in Zimmer 5 sahen nicht den Weinenden an, ihr Blick ging wie auf ein Kommando hinüber zur anderen Ecke, zu dem Selbstmörder Karl Frerich.
    Bleich saß dieser im Bett, die Hand auf die dick verbundene Brust gedrückt, wo noch immer Pulverschmauch aus der Wunde eiterte. Langsam erhob sich Frerich und ging zu dem Bett Senckers.
    »Ich kann Sie verstehen«, sagte er mit fester Stimme, als er auf der Bettkante saß. »Der Wunsch zu sterben ist, wenn man ihn wirklich aus tiefster Seele herausschreit, der herrlichste Wunsch. Mir jedenfalls ging es so … als ich mir die Pistole aufs Herz setzte, war ich der glücklichste Mensch.« Frerich beugte sich vor. Peter-Paul Sencker starrte ihn an, aus fast irren, flimmernden Augen. »Aber hinterher sieht man, daß es eine teuflische Blendung ist. Das Leben ist schön – trotz allem Dreck, aus dem es besteht.«
    »Aber mein Kind … meine Monika …« Sencker warf sich herum. Sein bandagiertes, zerschundenes Gesicht war ein einziger Schrei. »Ich kann nicht weiterleben … ich kann nicht mehr!«
    »Trotzdem geht es weiter«, sagte Beißelmann dumpf. Frerich und Schwester Inge starrten ihn an, die anderen im Zimmer 5 atmeten leiser, um alles zu hören. Es war so ungewöhnlich, daß Beißelmann sich in solche Situationen einmischte, daß man seinen Worten wie einer selten schönen Stimme lauschte. Früher hatte der Krankenpfleger kaum eine Regung gezeigt. Als der Selbstmörder Frerich eingeliefert wurde, hatte er sogar zu Schwester Angela und Inge gesagt: »Sich das Leben nehmen wegen einer Frau! Der Mann hat keinen Charakter. Er hätte die Frau umbringen sollen …« Man nahm es als eine der typischen weltfeindlichen Äußerungen Beißelmanns hin, da man die Hintergründe nicht kannte. Um so mehr verwunderte man sich über seine neue Stellungnahme, wie man überhaupt vor einem Rätsel stand, denn seit einigen Tagen war der Krankenpfleger verändert und verwöhnte vor allem Frerich offensichtlich. Niemand sah darin einen Sinn, am wenigsten Frerich selbst.
    Peter-Paul Sencker sah Beißelmann fast flehend an. »Sie werden mich wieder zurechtflicken, das ist Ihre Pflicht«, sagte er schwer atmend. »Aber dann werde ich die Konsequenzen ziehen. Keiner wird mich davon zurückhalten.«
    »Doch«, sagte Beißelmann ruhig.
    »Wer?«
    »Die Vernunft.«
    Schwester Inge drehte den Kopf verwundert zu Beißelmann. Hieronymus Staffner, der schon zu lange geschwiegen hatte, klopfte mit der Hand gegen sein Bett.
    »Was heißt hier Vernunft? Wenn ich daran denke, daß …«
    »Es interessiert keinen, was Sie denken.« Beißelmann beugte sich über Sencker, der still vor sich hinweinte. Staffner blickte sich beleidigt im Zimmer um.
    »Habt ihr das gehört?« fragte er unsicher. »Muß ich mir das gefallen lassen?«
    »Ruhe«, rief Paul Seußer, Staffner legte sich empört zurück, aber auch er behielt ein waches Ohr. Es mußte ein Erlebnis werden, wie ein Mensch wie Beißelmann einen seelisch Verzweifelten wieder aufzurichten versuchte. Wie ein Schreck ging es durch alle im Zimmer 5, als Beißelmann weitersprach.
    »Sie haben Ihr Kind umgefahren …«, sagte er rauh. Sencker zuckte zusammen wie unter einem Faustschlag. Seine Augen wurden unnatürlich weit. Sein zerschundenes Gesicht zuckte wild.
    »Ich … ich konnte nichts dafür …«, röchelte er. »Es lief mir direkt in den Wagen … es sah mich kommen … es winkte … und es lief mir vor die Räder … Ich … ich …« Senckers Kopf fiel zur Seite. »Ich konnte nicht mehr bremsen …«
    »Weil Sie besoffen waren«, sagte Beißelmann heiser. Schwester Inge legte die Hand auf seinen Arm, doch er schüttelte sie ab wie ein lästiges Insekt.
    »Ich habe nur …« Sencker röchelte laut. Der Krankenpfleger schüttelte den Kopf, als Schwester Inge Parth sich an sein Ohr beugte und flüsterte:
    »Seien Sie still! Sie sehen doch, daß er gleich wieder ohnmächtig wird.«
    »Sie haben getrunken,

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