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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hintereingang. Er zog sich schnell um und ging dann auf Männerstation III die Zimmer ab, als mache er einen normalen Kontrollgang und sehe nach, ob alles in Ordnung sei. In den anderen Zimmern schlief alles, nur im Zimmer 5 saß immer noch Karl Frerich auf und wartete auf Beißelmann. Als sich die Tür lautlos öffnete und der Riesenschatten im Dämmerlicht des Notlämpchens erschien, stellte Frerich die Beine auf den Boden und erhob sich von seinem Bett.
    »Von wegen eine Stunde!« sagte er. »Wissen Sie, wie lange Sie weg waren?«
    Beißelmann sah hinüber zu Peter-Paul Sencker. »War er unruhig?«
    »Nein. Gott sei Dank ist nichts passiert. Alles pennt.«
    »War jemand hier?«
    »Ja –«
    »Wer?«
    »Doktor Bernfeld.«
    »Was wollte er?«
    »Er hat Sie gesucht.«
    »Und was haben Sie gesagt?«
    »Sie wären gerade noch hier gewesen. Vor fünf Minuten etwa. Und Sie hätten mir etwas gebracht, weil ich nicht einschlafen könnte.«
    »Und?«
    »Da ist er wieder gegangen.«
    Beißelmann nickte. »Das haben Sie gut gemacht, Herr Frerich. Wann war das?«
    »Etwa vor einer halben Stunde.«
    Beißelmann beugte sich über das Bett Frerichs, schüttelte das Kissen auf, strich die Decke und das Bettuch gerade und nickte. »Kommen Sie, und nun schlafen Sie wirklich.« Frerich legte sich ins Bett, und Beißelmann deckte ihn zu wie eine Mutter ihr krankes Kind. Es fehlte nur noch, daß er ihm die Wangen streichelte. »Wieviel Zigaretten haben Sie geraucht?«
    »Vielleicht zehn.«
    »Das reicht für eine Woche, nicht wahr?«
    »Muß das unbedingt sein?«
    »Wenn Sie sterben wollen …«
    Frerich wurde starr unter seiner Decke. So warm es ihm vorher war, so eiskalt durchzog es ihn jetzt. Beißelmann öffnete die Nachttischschublade und nahm das Päckchen Zigaretten heraus, steckte es in seine Kitteltasche und schloß die Lade wieder.
    »Sie wollten doch sterben, nicht wahr?« sagte er dabei. »Mit einem Schuß im Herzen. Wegen Ihrer Frau.«
    »Jetzt nicht mehr. Ich sehe ein, daß es eine Dummheit war.« Frerichs innerer Krampf löste sich etwas. »Ist … ist es wahr, daß das Rauchen bei mir so gefährlich ist?«
    »Ja. Ihre Lunge ist auch verletzt worden.«
    »Dann rauche ich kein Stück mehr.«
    »Wenn Sie leben wollen, ist das gut.«
    »Ich will leben.« Frerich richtete sich auf den Ellenbogen hoch. »Herr Beißelmann … Sie haben meine Frau gesehen. Ist sie nicht wie ein Engel? Gut, sie hat ihre Fehler, aber die haben wir alle. Es ist meine Tragik, daß ich eine so schöne Frau habe, die nicht nein sagen kann. Sie kann es einfach nicht. Verstehen Sie das? Ich habe einen Arzt danach gefragt, einen Psychologen … er nennt es Nymphomanie. Man kann ihr nicht übelnehmen, daß sie es tut … so wie andere husten, muß sie eben …« Frerich schluckte. »Es ist verdammt schwer, das ertragen zu müssen; man weiß, daß es nicht anders geht, und man verkommt vor Eifersucht. Denn ich liebe sie ja, mein Gott, wie ich sie liebe. Der Arzt sagt, das einzige Mittel sei, ihr keine Gelegenheit zu geben. Und das will ich tun, wenn ich hier wieder raus bin. Ich werde ihr keine Gelegenheit mehr geben.«
    »Keine Gelegenheit«, sagte Beißelmann heiser. »Das ist gut … aber sehr schwer …«
    »Ich weiß. Jeder kann es sein. Der Milchmann, der Brötchenjunge, der Gasableser, der Müllfahrer, der Mann, der die Lesemappe bringt … immer kommen am Tage -zig Männer in die Wohnung.« Frerich legte sich zurück und legte die Hand auf seine Stirn. »Ich weiß, es ist furchtbar für mich, und ich hätte Ruhe, wenn ich mich von ihr trennte … aber ich liebe sie. Verstehen Sie das?«
    »Ja, ich verstehe das«, sagte Beißelmann langsam.
    »Es ist ein teuflisches, aber schönes Leben.« Frerich seufzte tief. »Teuflisch, wenn ich von ihr weg bin und denke: Wer ist es jetzt? Und schön, wenn ich bei ihr bin.«
    Beißelmann schwieg. Er deckte Frerich wieder zu und verließ stumm das Zimmer 5. Draußen auf dem Flur blieb er stehen und starrte gegen die weiße Wand. Er will weiterleben, dachte er. Und wir alle haben ihm zugeredet, das zu tun. Wirklich, der Mensch ist ein Teufel, der seine Hölle anpreist …
    Lautlos ging er zum Fahrstuhl und fuhr hinab in die Arzt-Wachstation. Er wollte sich bei Dr. Bernfeld erkundigen, warum dieser ihn gesucht hatte.

*
    Der Vortragsabend war sehr interessant, auch wenn Inge sehr wenig von dem verstand, was der Vortragende erklärte. Es waren meist lateinische Bezeichnungen und neue Wortbildungen; erst, als die

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