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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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weiß es wirklich nicht. Vielleicht war es der Augenblick, in dem ich mein Schwesterndiplom erhielt. Es war ein entscheidender Lebensabschnitt. Und eine Reise war schön. Mein Onkel nahm mich einmal mit nach Westerland. Vier Wochen waren es. Ich lag im heißen Sand und sah über das graugrüne Meer und die Schaumkronen der Wellen, ich suchte Muscheln und grub im Watt, ich schwamm gegen die Wellen an und ließ mich von der Brandung peitschen … Es waren vier sorglose Wochen, so sorglos, wie ich sie nie wieder erlebt habe – Ja, das war eigentlich das Schönste bisher.«
    Dr. Pflüger schob die Unterlippe vor. »Und das Kennenlernen des jungen Mannes, den Sie einmal heiraten wollen? Der Kollege von morgen?«
    »Das war eigentlich nichts Besonderes.« Inge lächelte versonnen. Es war ein Lächeln, das Dr. Pflüger plötzlich maßlos ärgerte. »Wir lernten uns in einer Apotheke kennen. Ich holte Hustensaft, und er verlangte reinen Alkohol für Experimentierzwecke. So kamen wir ins Gespräch, das war alles.«
    »So … und das hat sich dann so entwickelt …«
    »Ja, das hat sich so entwickelt.«
    Dr. Pflüger schwieg wieder. Er wurde nicht ganz klug aus Inge Parth. War sie das kleine Mädchen, als das sie erschien, oder war es eine gewisse Art von Raffinesse, so zu erscheinen, eine ausgekochte Maske der Naivität, hinter der sich eine vollblütige Weiblichkeit verbarg, die darauf wartete, daß man die Maske wegriß?
    Diese Unsicherheit verdammte Dr. Pflüger zunächst zu völliger Distanz. Er beobachtete weiter, und als sie vor dem Weinlokal Wollhaupt hielten, hatte er sich zu der Erkenntnis durchgerungen, daß er die Naivität als gegeben hinnehmen und sich darauf einstellen mußte, ein Mädchen zu erobern und nicht ein Weibchen.
    Es lief alles nach Plan: Rheinwein bei Wollhaupt, Tokaier und Tanz bei Julischka, Sekt bei ›Annabella‹. Sogar der Entkleidungstanz wurde mitgenommen, und Inge sah interessiert zu, wie die Tänzerin eine Hülle nach der anderen abwarf, bis beim Wegreißen eines winzigen Feigenblattes aus Gold das Licht verlosch. Dr. Pflüger legte seine Hand auf den Arm Inges.
    »Wie gefällt es Ihnen?« fragte er.
    »Diese Tänzerin? Dumm!«
    »Wieso dumm?«
    »Das ist etwas für Spießer oder Übererregte.« Sie lachte, und wieder wußte Dr. Pflüger nicht, ob diese Reden natürliches Empfinden widerspiegelten oder frivol waren. »Sie und ich, wir haben soviel nackte Menschen gesehen … auf dem OP-Tisch, im Krankenbett, bei den Untersuchungen, im Röntgenzimmer … was soll da solch ein Gehopse? Ich finde nichts dabei. Sie etwa?«
    Dr. Pflüger räusperte sich. Diese direkte Frage irritierte ihn. Er wollte weder als Spießer noch als Übererregter gelten, aber immerhin war es ein Anknüpfungspunkt für kommende geplante Stunden.
    »Ich finde, es ist ein Unterschied, ob man einen kranken, narkotisierten Körper sieht oder einen sprühend lebendigen … der eine nötigt Mitleid ab, der andere strahlt einen Reiz aus.«
    Dr. Pflüger ließ seine Hand auf Inges Arm liegen und bewegte die Finger etwas, was einem Streicheln gleichkam. »Ich nehme an, daß Sie verstehen, was ein Reiz ist, Inge.«
    »Ich glaube es.«
    »Sie wissen es nicht?«
    »Diese Tänzerin könnte mich nicht reizen.«
    »Weil Sie eine Frau sind. Aber könnten Sie sich vorstellen, daß eine Frau einen Mann reizen kann, so sehr, daß er dumm wird wie ein Jüngling?«
    »Vielleicht …«
    »Warum könnten Sie einen Mann lieben?«
    »Das weiß ich nicht.« Sie legte den Kopf etwas zur Seite und dachte nach. Die Weine und der Sekt hatten ihr Gesichtchen etwas gerötet und die Augen glänzend poliert. Eine Strähne des dichten braunen Haares war ihr in die Stirn gerutscht, und sie strich sie nicht weg, sondern ließ sie vor die Augen fallen. Es sah keck aus, ein wenig frech und irgendwie kindlich süß. Dr. Pflüger atmete tief und fühlte sich jung.
    »Ich könnte einen Mann lieben, weil er besonders klug ist«, sagte Inge langsam. »Ja, das wäre ein Grund. Oder weil er zuvorkommend ist, galant, arbeitsam, treu … es gibt so viele Gründe. Schönheit ist nicht so wichtig … ein schöner Mann ist manchmal wie ein aufgeputzter, goldbehangener Esel, der vor jeder Eselin ›Iahh‹ schreien muß.« Sie sah Dr. Pflüger an und nickte ihm ernst zu. Aber ihre wippende Haarsträhne verwässerte den Ernst. »Ja, so ist das, Herr Oberarzt … die meisten putzen sich heraus wie ein Gockel und wundern sich, warum wir über sie lachen. Ich könnte nie

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