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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Hier im Zimmer, bei Herrn Sencker. Ich muß dringend eine Stunde weg … nur eine Stunde … dann bin ich wieder da … Und wenn der Sencker unruhig wird, dann legen Sie ihm eine feuchte Kompresse auf die Stirn, weiter nichts. Und wenn er trinken will, geben Sie ihm Apfelsaft. Das ist alles. Aber ich glaube, er schläft durch. In einer Stunde bin ich wieder da. Wollen Sie das für mich tun?«
    »Natürlich. Und wenn Kontrolle kommt?«
    »Es kommt keine. Doktor Bernfeld hat heute Bereitschaftsdienst und liegt unten im Unfallzimmer.«
    »Gut.« Karl Frerich sog wieder an der Zigarette. Das Aufflammen der brennenden Spitze war Beißelmann wie ein Schnitt ins Herz. Er darf nicht rauchen, dachte er. Der Schuß hat auch die Lunge verletzt. Er darf auf gar keinen Fall rauchen …
    Beißelmann erhob sich. »Ich danke Ihnen.«
    »Aber bitte! Wenn ich dafür rauchen darf …« Frerich versuchte, das gewonnene Kapital zu vermehren. »Sie wissen ja von dem alten Tauschgeschäft: eine Hand wäscht …«
    Beißelmann verließ lautlos das Zimmer. Vor der Tür auf dem Gang blieb er stehen und wischte sich über die Stirn.
    Welch ein Schwein bin ich doch, dachte er bitter. Ich betrüge ihn, und er paßt für mich auf. Ich nehme seine Frau, und er saugt den Tod in sich hinein und ist sogar glücklich dabei. O dieses mistige Leben!
    In seinem Zimmer zog er sich schnell um. Den neuen Anzug, die neuen Schuhe. Er nahm die Pralinen aus dem Wäschefach des Schrankes, die Nelken aus der Vase, trocknete die Stiele ab und umwickelte sie wieder mit dem hochgeschobenen Seidenpapier.
    Er verließ das große, schlafende Haus durch einen Kellereingang, der für die Anlieferung von Gemüse und anderen Bedarfsgütern eingerichtet war. Es war eine Tür, die von innen zu verriegeln war, mit einem Eisensplint als Sicherung. Es war eine alte Tür, aber von außen konnte sie keiner öffnen.
    Beißelmann lief wie besessen, als er die Straßenbahn von weitem kommen sah. Er erreichte sie noch beim Anfahren und zog sich auf die Plattform. Er fuhr nur zehn Minuten, dann sprang er wieder ab und ging schnell durch ein schlafendes Stadtviertel zu einem Neubaublock, der weiß in der Dunkelheit schimmerte. Vor dem Haus Nummer 14 blieb er stehen und las die Namenschilder an den Klingeln.
    Karl Frerich. Parterre.
    Beißelmann drückte auf den Klingelknopf. Er hörte nichts, aber irgendwo mußte jetzt die Schelle summen. Gleich würde sich die Tür öffnen und er stand Evelyn gegenüber, dem neuen großen Aufbruch seiner Seele.
    Doch nichts geschah. Er schellte noch einmal, dann ein drittes Mal, bis er überzeugt war, daß Evelyn Frerich nicht zu Hause sei oder nicht sein wollte.
    Beißelmann lächelte böse. Er löste sich aus dem Schatten des Eingangs und schritt um das Haus herum. Vor den hinteren Fenstern der Parterrewohnung blieb er stehen und legte das Ohr an die Scheibe. Dann klopfte er gegen das Fenster, und als es ohne Echo blieb, drückte er mit seiner breiten Hand gegen die Holzpfosten. Das dritte Fenster gab nach, der Riegel war nur lässig eingehakt und knackte auf. Unschlüssig blieb Beißelmann stehen, sah sich mehrmals um und wurde durch die leeren Straßen ermutigt. Vorsichtig legte er die Blumen und die Pralinen auf die Fensterbank, dann drückte er seinen Körper hoch, schob sich über die Brüstung und rutschte in das dunkle Zimmer. Es war der Wohnraum, modern, einfach und zweckmäßig.
    Beißelmann machte kein Licht. Er schloß das Fenster, dieses Mal richtig, nahm seine Blumen und die Pralinen und setzte sich auf die Couch in die Dunkelheit. Wie ein riesiges, schwarzes Tier hockte er da, unbeweglich, gegen die Tür starrend, die ihm gegenüber war.
    So saß er über zwei Stunden und wartete. Er dachte nicht mehr an das Krankenhaus, nicht mehr an Peter-Paul Sencker, der unruhig werden konnte, nicht mehr an Karl Frerich, der ihn vertrat, eine Zigarette nach der anderen rauchte und den Qualm zum Fenster hinausblies.
    Nach über zwei Stunden hörte Beißelmann endlich Geräusche. Ein Schlüssel drehte sich im Schloß, Evelyns herausforderndes Lachen perlte durch die Dunkelheit in das Zimmer. In der Diele wurde das Licht angeknipst, er hörte Schritte, wieder lachte sie, und es war ihm rätselhaft, warum sie allein so fröhlich war. Jetzt trällerte sie sogar ein Lied, einen Schlager, den sie gegenwärtig überall sangen … und dann öffnete sich die Wohnzimmertür, Evelyns Hand griff zum Lichtschalter, die Deckenbeleuchtung flammte auf, und ihre

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