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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Tücher sah, den Eimer, in den die Knochenstücke und Fleischfetzen flogen, und als er das kleine Summen hörte, das Ratschen und leise Kreischen der elektrischen Knochensäge, mit der Dr. Bernfeld einen Teil des Schulterblattes abnahm.
    »Mein Gott …«, sagte Beißelmann wieder. Sein Gesicht war bleich und eingefallen. »Das habe ich nicht gewollt … das habe ich nicht geahnt – O Gott …«
    Später saß er neben Dr. Sambaresi, wischte ihm den dünnen Blutfaden aus dem Mundwinkel und sah zu, wie er langsam starb. Als Dr. Bernfeld die erste Operation beendet hatte und Dr. Sambaresi auf den Tisch gehoben werden sollte, schüttelte Beißelmann wortlos den Kopf. Die in den Vorbereitungsraum hineingeschickte Schwester rannte zurück in den OP; wenig später kam Dr. Bernfeld mit tropfenden Händen und Armen zu Beißelmann und starrte auf das aschfahle Gesicht des afrikanischen Kollegen.
    »Es ist eine Schweinerei«, schrie Dr. Bernfeld und hieb mit der Faust gegen die Wand. »Wenn Doktor Pflüger zu erreichen wäre … ein einziger Arzt als Wachhabender ist Blödsinn, das zeigt sich jetzt. Ich kann ja allein nicht an zwei Tischen operieren! Schwester, schellen Sie durch zum Ersten Ober! Und wenn die Drähte heißlaufen!«
    Oberarzt Dr. Pflüger meldete sich nicht. Er lag besinnungslos betrunken auf seiner Couch und schnarchte mit offenem Mund dem Morgen entgegen. Das Telefon neben ihm rappelte in kurzen Abständen ununterbrochen, fast zwanzig Minuten lang. Dann gab es die Schwester auf und kehrte zu Dr. Bernfeld zurück.
    »Nichts – Es meldet sich keiner.«
    »Es wäre jetzt auch nicht mehr nötig.« Dr. Bernfeld saß neben Dr. Sambaresi. Beißelmann hielt das Beatmungsgerät und pumpte Sauerstoff in den flachen Körper. Doch es war ein aussichtsloser Kampf … unter dem Braun der Haut breitete sich die Fahlheit des Todes aus.
    »Wie – wie ist es denn passiert?« fragte Beißelmann heiser.
    Dr. Bernfeld hob die Schultern. »Er ist mit dem Wagen gegen eine Mauer gefahren. Mehr weiß ich nicht. Es ist alles so rätselhaft … Doktor Sambaresi trank nie Alkohol! Und wie die Polizei sagt, muß er vor dem Unfall am Steuer des Wagens eingeschlafen sein. Während des Fahrens – auch das ist rätselhaft.«
    »Und die Dame neben ihm?« Beißelmann stellte das Sauerstoffgerät ab.
    »Nach ihren Papieren muß sie eine alte Bekannte aus Tanganjika sein. Wir werden mehr wissen, wenn sie aus der Narkose erwacht.«
    »Sicherlich!« Beißelmann faltete die Hände über dem Magen. Dr. Sambaresi schlug plötzlich die Augen auf, große, schwarze, glänzende Augen, aber er erkannte keinen mehr. Doch er sah Beißelmann an, als sähe er ihn, und Beißelmann starrte in diese Augen und preßte die Finger aneinander, schob die Schultern nach vorn, als friere er, und senkte den Kopf.
    Kurz darauf seufzte Dr. Sambaresi, langgezogen und dunkel. Der Glanz seiner Augen erlosch, als habe man in ihm eine Flamme ausgeblasen. Dr. Bernfeld beugte sich über ihn und drückte ihm die Lider zu. Die Schwestern schlugen das Kreuz, und Schwester Innozenzia sprach das Gebet. Beißelmann betete mit, man sah es daran, daß sich seine Lippen bewegten. Niemand beachtete es, denn an den Bewegungen seiner Lippen hätte man bemerkt, daß er nicht mit den anderen das Vaterunser sprach. Er sagte immer nur: »Vergib mir … vergib mir … vergib mir … Aber ich konnte nicht anders …«
    Dann zog man ein weißes Leinentuch über den ausgestreckten Körper, und Beißelmann rollte den Toten über den Gang zum Lastenaufzug und mit diesem hinunter zum Kühlkeller. Er hatte diesen Weg oft gemacht, aber heute schien es, als stoße er die fahrbare Trage nicht vor sich her, sondern halte sich an ihr fest. Und zum erstenmal hörte man ihn sogar … seine Schritte, das Aufsetzen seiner Füße, ein dumpfes Tappen, das wie ferne Paukenschläge klang, eine monotone, rhythmische Trauermusik.
    Mit dem Erwachen des Krankenhauses durch die Geschäftigkeit der Stationsschwestern, die als Morgengruß die Thermometer verteilten oder selbst einschoben, flog auch die Nachricht vom Tode Dr. Sambaresis durch alle Flure und Zimmer. Fast alle hatten den freundlichen, hübschen afrikanischen Arzt gekannt, denn durch die Röntgenstation wurde die Mehrzahl der Patienten geschleust zur Unterstützung der Diagnosen. Prof. Morus hatte auch da einen Lehrsatz geprägt: »In der Medizin muß man fühlen, horchen und riechen können … aber das Wichtigste ist das Sehen! Und vom Sehen ist das

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