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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ärzten, die sich bemühten, nicht aufzufallen und ihm aus dem Weg zu gehen. Im OP schwitzte der II. Oberarzt und brüllte Schwester Innozenzia an, weil sie statt Seide eine Nadel mit Catgut zum Nähen angereicht hatte. Eine spürbare Nervosität lag über dem sonst so stillen Operationstrakt, und es war sicher, daß die Anwesenheit Prof. Morus' sie auslöste, denn niemand hatte mit seinem Kommen gerechnet. Plötzlich hatte er im Vorbereitungsraum gestanden und durch die Glaswand in den OP gesehen.
    »Der Chef!« hatte der 3. Assistent zum II. Oberarzt geflüstert.
    »Unmöglich! Der kommt erst am Donnerstag.«
    »Aber er steht an der Wand …«
    Beim Umdrehen zu einem Eimer warf der II. Ober einen Blick zur Seite. Er sah in die harten, blauen Augen von Morus und drehte sich schnell wieder zurück.
    »Du meine Güte! Auch das noch!« Unter dem Mundschutz leckte sich der II. Oberarzt über die trockenen Lippen. »Wie eine Schlange, die ein Kaninchen hypnotisiert. Was will er denn schon hier? Ich denke, der ist weiter nach Rom gefahren …«
    Prof. Morus sagte an diesem Vormittag die Visite ab, die Dr. Pflüger für ihn halten sollte. Er ging in sein Zimmer, schob die geöffnete und sortierte Post zur Seite und las noch einmal den Bericht über die nächtliche Tragödie durch, die sich in seinem Krankenhaus vollzogen hatte. Als Beißelmann eintrat, sah er kurz auf, winkte zu einem Stuhl, der vor seinem Schreibtisch stand, und las weiter. Der Krankenpfleger blieb stehen. Nach kurzer Zeit blickte Prof. Morus auf.
    »Wie war das heute nacht?« fragte er laut. »Ich will von Ihnen alles wissen, Beißelmann! Man tut hier so, als sei alles normal! Aber das ist eine Lüge. Also los … was war?«
    »Nichts weiter, Herr Professor. Nur ein Doppelunfall. Ein Toter und eine Schwerverletzte.«
    »Reden Sie kein Blech, Beißelmann! Ich weiß, daß Doktor Bernfeld allein auf weiter Flur war und keiner der anderen Ärzte erreicht werden konnte.«
    »Das ist bei dem Nachtdienst oft so. Ein wachhabender Arzt, der alles allein tun muß, und dann …«
    Prof. Morus winkte ab. »Schon gut! Sie wissen doch sonst immer alles, Beißelmann … Kennen Sie die näheren Begleitumstände des Unfalls?«
    »Nein. Die möchte ich auch gern wissen.«
    Prof. Morus überhörte diese Bemerkung. Das merkwürdige Verhältnis, das er zu Beißelmann hatte, ließ ihn großzügig sein. Hätte einer seiner Ärzte so zu ihm gesprochen, würde sich ein Wolkenbruch entladen haben.
    »Doktor Sambaresi hat nie getrunken.«
    »Man sagt es.«
    »Und plötzlich ist er stockbesoffen.«
    »Das kann vorkommen.«
    »Doktor Bernfeld ist mit dem Polizeiarzt unten und macht gerade eine Autopsie …«
    Beißelmann sah Prof. Morus stumm an. Sie werden nie erfahren, warum er plötzlich getrunken hat, dachte er. Und die Mitwisserin wird ebenfalls schweigen, auch wenn sie nicht nebenan in der Frauenstation liegt, wo sie eigentlich sein sollte statt dieser unschuldigen Marylin Fortyn aus Tanganjika.
    »Darauf bin ich gespannt«, sagte Beißelmann langsam.
    »Warum?«
    »Ich konnte Doktor Sambaresi gut leiden.«
    »Und was ist mit dem Ersten Oberarzt?«
    »Ich weiß es nicht, Herr Professor.« Beißelmann sah Morus starr an. »Ich bin Krankenpfleger, aber kein Spion.«
    »Schon gut. Sie können gehen.« Prof. Morus sah auf den Rücken Beißelmanns, als dieser lautlos wie immer aus dem Zimmer ging. Er weiß mehr, dachte Morus und strich sich über die Haare. Er weiß bestimmt mehr.
    Das Telefon schellte. Morus hob den Hörer ab, die Stationsschwester der Frauenstation I meldete sich.
    »Fräulein Fortyn ist wach und ganz klar, Herr Professor.«
    »Gut. Ich komme sofort. Weiß sie von dem Tod …«
    »Ja. Ich habe es ihr gesagt.«
    »Und?«
    »Sie hat es ruhig aufgenommen.« Die Schwester stockte, ehe sie weitersprach. »Eben hat auch die Kriminalpolizei angerufen, ob Fräulein Fortyn vernehmungsfähig sei. Ich habe gesagt, da müsse ich erst Sie fragen.«
    »Was ja wohl auch der übliche Weg ist.« Prof. Dr. Morus sah auf die goldene Barockuhr, die auf dem Schreibtisch tickte. »Sagen Sie den Herren von der Polizei, daß ich sie verständige, sobald die Patientin vernehmungsbereit ist.«
    Er legte auf und sah nachdenklich auf die kunstvoll ziselierten Zeiger der Uhr. Es kam ihm darauf an, daß er Marylin Fortyn vor der Polizei sprach, denn er hatte das Gefühl, daß sie ein wenig Licht in die Rätsel dieser Nacht bringen konnte.
    *
    Oberarzt Dr. Pflüger erschien gegen Mittag mit

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