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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wie man Schildbürgerstreiche als Politik deklarieren kann.«
    Mit einem Kopfnicken war Dr. Bernfeld entlassen. Oberarzt Dr. Pflüger blieb zurück, weil Morus ihm winkte. Aha, jetzt geht's los, dachte Dr. Pflüger. Er wappnete sich mit Kühle und dem Willen, sich nicht beleidigen zu lassen. Aber Prof. Morus schien friedlicher zu sein, als er aussah. Er hörte sich den Bericht Pflügers stumm an, eine allgemeine Übersicht, was geschehen war in der Zeit seiner Abwesenheit.
    »Wer kann Sie vertreten?« fragte Morus nach dem langen Vortrag. Dr. Pflüger wurde unsicher.
    »Wieso, Herr Professor?«
    »Sie legen sich ins Bett und schlafen sich erst aus! Morgen setze ich drei große Operationen an, da müssen Sie fit sein.«
    »Doktor Berger ist da, und dann Doktor von Holtzner und Doktor Weitbrecht und …«
    »Doktor von Holtzner soll Sie vertreten. Und Sie gehen nach Hause!«
    »Jawohl, Herr Professor.« Es war ein Befehl, dem Dr. Pflüger nicht widersprach. Er verließ schnell das Chefzimmer und atmete auf dem Flur befreit auf.
    Prof. Morus wartete, bis sich die Tür geschlossen hatte. Dann griff er in die Brusttasche, klappte seine Brieftasche auf und sah auf ein kleines Foto, das er in der Schublade von Dr. Sambaresis Schreibtisch gefunden hatte.
    Das Bild einer jungen, lachenden, lebenslustigen Frau mit im Wind fliegenden langen blonden Haaren. In einer fast kindlichen Schrift stand auf der Rückseite eine Widmung.
    »Meinem Liebling aus der heißen Steppe einen Kuß.«
    Kein Name, keine Adresse. Nur dieser verliebte Satz.
    Sie ist es, dachte Prof. Morus und klappte die Brieftasche wieder zu. Sie ist der Schlüssel zu allen Ereignissen. Und sie wird kommen … man muß nur Geduld haben. Nur ein paar Tage Geduld.
    Er hätte sie nicht gebraucht, wenn er Beißelmann das Foto gezeigt hätte. Aber es wäre andererseits unwahrscheinlich gewesen, daß Beißelmann den Namen der Frau auf dem Foto genannt hätte.
    So blieb noch alles im Dunkel des Rätsels … nur ein Toter lag unten im Kühlkeller, und ein Mädchen lag mit zertrümmerter Schulter in einem Bett und wußte noch nicht, daß es für immer ein Krüppel bleiben würde.
    *
    Am Nachmittag nahm sich Beißelmann frei. Da Oberarzt Dr. Pflüger wieder abwesend war und Dr. Bernfeld nach der Nachtwache endlich schlafen durfte, entschied dies Schwester Angela als Stationsverantwortliche.
    »Schon wieder weg?« sagte sie giftig. »Und was heißt hier: Nachtwache?! Das war ja freiwillig! Ich weiß, ich weiß, der Oberarzt hat Sie eingeteilt, aber zwingen konnte er Sie nicht. Sie haben ja gesagt, um der kleinen Inge einen Gefallen zu tun. Wie komme nun ich dazu …«
    »Ich gehe«, sagte Beißelmann dumpf. »Und wem es nicht gefällt, der kann mich …«
    »Herr Beißelmann!« rief Schwester Angela schrill. »Ich bin eine geweihte Person und …«
    »… der kann mich beim Chef anzeigen«, vollendete Beißelmann seinen Satz. »Mir ist es wurscht, verstehen Sie? Ich gehe jetzt, wenn ich will!«
    Damit war die Entscheidung gefallen. Schwester Angela ließ Beißelmann stehen und rannte in die Teeküche. Dort setzte sie sich schweratmend an den Tisch und preßte die Hand auf das Herz. Diese Aufregung, dachte sie. Dieser ewige Streit mit Beißelmann. Und die schimpfenden Ärzte und die immer ungeduldigen Patienten … sie sehnte sich nach einer stillen Klosterzelle und nach Ruhe, herrlicher, besinnlicher Ruhe …
    Beißelmann fuhr mit der Straßenbahn wieder in die Stadt. In ein ganz bestimmtes Stadtviertel, das jetzt, in der grellen Nachmittagssonne, ganz anders aussah als in der Nacht. Kompakter, bewohnter.
    Beißelmann sprang von der fahrenden Straßenbahn und ging dem Neubaublock entgegen. Er fiel nicht weiter auf, er war ein Fußgänger wie hundert andere.
    Prof. Morus saß unterdessen dem Verwaltungsdirektor gegenüber. Die Nüchternheit eines behördlichen Zimmers wurde nur durch die Polstersessel etwas aufgelockert, die ein Direktor sich erlauben konnte.
    Dr. jur. Ulrich Berg hatte die Denkschrift mit einem schiefen Lächeln entgegengenommen und ungelesen zur Seite gelegt. Dann hatte er Kognak geholt und zunächst einmal mit Prof. Morus angestoßen.
    »Fassen Sie es nicht als unhöflich auf, wenn ich Ihre Eingabe gar nicht durchlese«, sagte er nach einer kurzen Schweigepause, in der man den Nachgeschmack des Kognaks auskosten konnte. »Aber ich möchte alle Leerläufe vermeiden, und es ist ein Leerlauf, wenn ich noch mal durchkauen würde, was wir alle längst wissen:

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