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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einem verquollenen Gesicht, roten, wässerigen Augen und einem Atem, der trotz Pfefferminz und Chlorophylltabletten deutlich nach Alkohol roch. Er ging sofort auf sein Zimmer, fand seinen Schreibtisch leer, brüllte zum Sekretariat, wo die Post sei, und erfuhr dort, daß der Chef selbst sie bearbeitet habe.
    »Ja, ist denn der Chef hier?« fragte Dr. Pflüger entgeistert. Aber er wartete auf seine dumme Frage keine Antwort ab, sondern warf den Hörer zurück, nahm noch ein Pfefferminzdragee und rollte es am Gaumen hin und her. Dann machte er sich auf den Weg, Prof. Morus zu begrüßen und ihm Bericht zu erstatten. Es war ihm völlig klar, daß er einen schweren Gang tat und daß ein harter Nachmittag vor ihm lag.
    Auf dem Weg zum Chefzimmer traf er im Treppenhaus auf Schwester Inge. Sie wollte sich, als sie Dr. Pflüger sah, in einen Gang wegdrücken, aber der Oberarzt winkte sie heran.
    »Was rennen Sie hier herum, Schwester?« brüllte er. »Dieser Sauladen kann ja nicht klappen, wenn das Pflegepersonal spazierengeht. Da redet man immer von überlasteten Schwestern, und dabei drücken sie sich vor der Arbeit, wo sie können!«
    »Ich war gerade …« Schwester Inge konnte nicht weitersprechen. Dr. Pflüger nahm öffentliche Rache für die verunglückte Nacht.
    »Habe ich Sie gefragt?« schrie er. »Ich verbitte mir, daß Sie mir immer dazwischen quatschen! Schon seit Wochen fallen Sie mir auf mit Ihrem Benehmen! Ich habe eine Feststellung getroffen, und dabei bleibt es! Los, los, verschwinden Sie auf Ihre Station …«
    Er wartete ab, bis Inge mit gesenktem Kopf davongelaufen war: dann ging er weiter, plötzlich mutig durch das eigene Brüllen, und nahm sich vor, Angriffen von Prof. Morus mit Kaltschnäuzigkeit zu begegnen.
    Im Chefzimmer saß bereits Dr. Bernfeld und wartete. Die Sekretärin hatte gesagt, daß der Chef gleich komme. Er sei auf der Frauenstation. Dr. Pflüger sah den jungen Stationsarzt mit zusammengekniffenen Augenbrauen an.
    »Unser großer Chirurg«, sagte er sarkastisch und setzte sich auf die Kante von Morus' Schreibtisch. »Die gute, etwas debile Innozenzia singt ein Loblied auf Sie! Sie hätten heute nacht operiert wie eine Symbiose zwischen Sauerbruch und Kirschner.«
    »Sie waren nicht zu erreichen, Herr Oberarzt«, antwortete Dr. Bernfeld schlicht.
    »Soll das ein Vorwurf sein, junger Mann?!« Dr. Pflüger fuhr auf. »Man wird sich darüber überhaupt noch unterhalten müssen, warum Sie zuerst die weniger verletzte Frau operiert haben und nicht den Kollegen Sambaresi. Nachher war's natürlich zu spät! Aber da hat der junge Kollege gedacht: Machste das Mädchen erst mal frei, vielleicht siehste da eine schöne Mamma.«
    Dr. Bernfeld schwieg verbissen. Er sah Dr. Pflüger noch einmal kurz an, bemerkte die roten, wäßrigen Augen und das aufgedunsene Gesicht und wandte dann den Kopf zur Seite. Auch Dr. Pflüger schnellte sich von der Schreibtischkante ab und trat an das große Fenster zum Klinikgarten. Auf den Kieswegen gingen wieder die Genesenden spazieren oder saßen auf den schattigen Bänken und genossen den warmen Sommertag.
    Das Schweigen lastete zwischen ihnen, bis Prof. Morus ins Zimmer kam. Es war bezeichnend, daß Morus seinen I. Oberarzt gar nicht beachtete und auch dessen Gruß »Guten Tag, Herr Professor« nicht erwiderte. Er wandte sich Dr. Bernfeld zu, und mit maßlosem Erstaunen sah Dr. Pflüger, daß Morus mit einem ›Handlanger‹ direkt sprach ohne den Umweg über den Oberarzt.
    »Sie haben das Ergebnis?«
    »Ja. Herr Professor. Bitte …« Dr. Bernfeld hielt das Sektionsprotokoll hin, aber Morus winkte ab.
    »Ich lese es nachher. Fassen Sie kurz zusammen.«
    »Es hat sich nichts Besonderes gefunden, Herr Professor. Außer dem bekannten Blutalkoholgehalt fanden wir nur bei der Laboruntersuchung Rückstände eines Schlafmittels.«
    »Wie bitte?« Prof. Morus hob verblüfft den Kopf. »Ein Schlafmittel? Und das nennen Sie gar nichts?!« Er überflog den Bericht der Autopsie und suchte die Zahl der Analyse. »Ich bitte Sie … Doktor Sambaresi muß vor dem Unglück mindestens fünf Tabletten genommen haben! Dazu der Alkohol … kein Wunder, daß er am Steuer eingeschlafen ist!« Morus warf das Protokoll auf den Tisch. »Meine Herren, das sieht verdammt nach einem Skandal aus! Weiß man, wo Doktor Sambaresi die Nacht verbracht hat?«
    »Allerdings.« Dr. Pflüger strich mit dem Zeigefinger über seine Nasenwurzel. »An der Nordsee!«
    »Was soll der Blödsinn?«
    »Es ist

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