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Männerstation

Männerstation

Titel: Männerstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stehen konnte, war er gegangen. Die letzten klaren Worte Sambaresis zu Frau Frerich: »Komm, wir fahren zu mir, Liebling …«, hatten ihn beruhigt. Es war ein einfacher und runder Plan geworden. Daß Evelyn nicht mitgefahren war, sondern an ihrer Stelle eine andere Frau verunglückte, war der Anlaß, daß Beißelmann sich vor sich selbst schämte. Er war in der vergangenen Nacht zurückgewichen vor dem Entschluß, es wieder wie damals mit seinen eigenen Händen zu tun; es war ein Fehler, dachte er, ein Fehler aus Feigheit, der nicht mehr auszubessern ist und der eine Unschuldige zu einem Krüppel machte.
    Vor allem das belastete ihn. Sein merkwürdiger Gerechtigkeitssinn, der ihn gleichzeitig zum Ankläger, Richter und Henker werden ließ, hatte einen Riß bekommen. Zum ersten Male fühlte er sich schuldig. Es war ein unbekanntes, rätselhaftes Gefühl, niederdrückend, lähmend fast und in den Nerven vibrierend, als seien sie elektrisch geladen. Dieses Gefühl hatte er noch nie empfunden, weder bei der Tötung seiner Frau noch ihres Liebhabers, weder bei dem aufgezwungenen Betrug an Frerich noch bei all den anderen kleinen Dingen, die er aus seinem pathologischen Sinn für angebliche Gerechtigkeit getan hatte. Und was am schlimmsten für ihn war: Er sah keine Möglichkeit, diese Ungerechtigkeit wieder auszubügeln, sie wiedergutzumachen, irgend etwas zu tun, was eine Art Sühne war oder Buße.
    »Ich werde es der Polizei melden«, sagte Evelyn leise. »Alles, alles werde ich sagen.«
    Beißelmanns Kopf hob sich. »Es ist wenig zu sagen. Eigentlich gar nichts. Aber alles andere wird dabei herauskommen. Willst du das? Soll er wieder Selbstmord begehen?«
    Evelyns verschmiertes Gesicht verzog sich. »Mein Mann!« Ihre Stimme wurde plötzlich klar. »Daß gerade Sie mich an ihn erinnern. Sagten Sie nicht, es gehe ihm schlecht und seine Lunge …«
    »Ja.«
    »Wenn er stirbt, sage ich alles.«
    Beißelmann schnellte von der Couch hoch. »Du bist ein Miststück!« sagte er rauh. »Du wartest darauf …«
    »Nein. Ich liebe ihn. Aber größer als diese Liebe ist der Haß, den ich gegen Sie habe! Und diesen Haß werde ich freilassen, wenn es ihm nicht mehr weh tut, diesem armen, guten Karl Frerich.«
    Beißelmann antwortete nicht. Er ging ins Badezimmer, wickelte das Handtuch von der Bißwunde, steckte die Hand in die Tasche und verließ, ohne noch einmal ins Wohnzimmer zu gehen, die Wohnung. Mit der nächsten Straßenbahn fuhr er zum Krankenhaus zurück, ging in sein Zimmer, pinselte Jod auf die Handballenwunde und tappte dann zu Zimmer 5, wo man die übliche Nachmittagsbeschäftigung aufgenommen hatte, Skatspielen.
    Karl Frerich saß im Bett und hustete. Heinrich Dormagen hatte Schmerzen hinter dem Brustbein und außerdem einen Ekel vor den Küchengerüchen, die vom Flur – für die anderen kaum wahrnehmbar – in das Zimmer wehten. Paul Sencker hatte Besuch von seiner Frau. Sie las ihm die Beileidsschreiben zum Tode der kleinen Monika vor, und Sencker lag in den Kissen und weinte leise. Sein Gesichtsverband war völlig durchnäßt von Tränen. Ambrosius, Seußer und Staffner kloppten ihren Skat, und ab und zu zuckte Frau Sencker zusammen, wenn einer von ihnen rief: »Und nun die Hosen runter! Null ouvert … da könnt ihr ruhig gegen die Wand pissen …«
    Beißelmann wandte sich sofort dem Bett Frerichs zu. Mit geübtem Griff faßte er unter die Matratze und holte eine Packung Zigaretten hervor.
    »Nanu?« sagte Frerich halblaut. »Was ist denn los?«
    Beißelmann ging zum Fenster und warf die Zigaretten hinaus in den Hof. Niemand bemerkte es, nur Frerich stützte sich mit der gesunden Hand hoch und hustete wieder.
    »Sind Sie verrückt geworden?« sagte er keuchend. »Sie können doch nicht einfach …«
    »Ich kann.«
    »Erst erlauben Sie mir …«
    »Das war ein Fehler.« Beißelmann setzte sich auf die Bettkante. Seine ausdruckslosen Augen verhinderten eine weitere Gegenwehr Frerichs. Es war, als ströme eisige Kälte in das Bett. Frerich kroch in sich zusammen. »Es ist vieles anders geworden«, sagte Beißelmann leise. »Sie werden es nicht verstehen, aber ab sofort wird nicht mehr geraucht. Auch nicht heimlich. Ich rieche es doch!«
    »Und wenn ich es trotzdem tue?«
    »Dann krepieren Sie.«
    Frerich wurde leichenblaß. Er rutschte unter die Decke und starrte den Krankenpfleger wie seinen Henker an.
    »Aber … warum haben Sie dann in jener Nacht …«
    »Ein Irrtum.« Beißelmann stand wieder auf. »Wo haben

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