Märchen aus 1001 Nacht
Besichtigung der Sehenswürdigkeiten und Lustfahrten in die angrenzenden Länder zu verbringen, weshalb er sich in der Stadt Bischangarh einige Monate aufhielt. Nun war der König jenes Landes gewohnt, einmal wöchentlich Staatssitzung zu halten, um Streitigkeiten anzuhören und Prozesse, die fremde Kaufleute betrafen, zu schlichten; und so sah der Prinz den König häufig, doch sprach er zu keinem etwas von seinem Abenteuer. Da er aber hübsch von Gesicht, von anmutigem Gang und höflicher Rede war und dazu beherzt und stark, klug, bedacht und verständig, wurde er bei den Kaufleuten und beim Volk in höchsten Ehren gehalten. In kurzer Zeit war er bei Hofe beliebt geworden und erfuhr vom Herrscher selber alles, was sein Königreich und seine Pracht und GröÃe betraf.
AuÃerdem besuchte der Prinz die berühmten Pagoden jenes Landes. Die erste, die er sah, war aus Messing und Bronze von ausgesucht feiner Arbeit erbaut. Ihr Innenraum maà drei Ellen im Geviert und enthielt in der Mitte die goldene Bildsäule eines Mannes in LebensgröÃe; und die Arbeit war so kunstvoll, dass das Gesicht seine Augen, die aus zwei groÃen Rubinen von ungeheurem Wert bestanden, auf die Zuschauer zu richten schien, mochten sie stehen, wo sie wollten. Ferner sah er einen anderen Götzentempel, nicht weniger sonderbar und seltsam als dieser, der in einem Dorf auf einer ebenen Fläche von der Länge und Breite eines halben Ackers erbaut war, auf der liebliche Rosenbäume, Jasmin, Basilienkraut und viele andre würzig duftende Gewächse blühten, deren Wohlgerüche die Luft erfüllten. Um ihren Hof lief eine drei Fuà hohe Mauer, damit sich kein Tier in ihn verirrte; und in der Mitte befand sich eine Terrasse von der Höhe eines Mannes, die ganz aus weiÃem Marmor und welligem Alabaster so kunstvoll und geschickt erbaut war, dass, wiewohl das ganze Pflaster einen so groÃen Raum einnahm, es ein einziger Stein zu sein schien. In der Mitte der Terrasse erhob sich der kuppelförmige Tempel zur Höhe von einigen fünfzig Ellen, sodass er viele Meilen weit nach allen Seiten sichtbar war. Seine Länge betrug dreiÃig, seine Breite zwanzig Ellen und die roten Marmorsteine der Mauerbekleidung waren blank wie ein Spiegel poliert, sodass jeder Gegenstand sich darin getreu abspiegelte. Die Kuppel war wundervoll gemeiÃelt und auÃen mit reicher Ornamentik verziert, während im Innern eine Menge Götzenbilder in genauer Ordnung in vielen Reihen aufgestellt waren. Zu diesem, dem Allerheiligsten, strömten Tausende von Brahmanen, Männer und Frauen, vom Morgen bis zum Abend zur täglichen Andacht herbei. Sie spielten und vergnügten sich ebenso wohl, als sie Riten und Zeremonien vollzogen; die einen festierten, andere tanzten, einige sangen, wieder andere spielten Musikinstrumente, während man sich an anderen Plätzen bei Spielen, Lustbarkeiten und harmlosen Vergnügungen ergötzte. Zu jeder Jahreszeit strömten aus fernen Ländern Scharen von Pilgern hierher, um ihre Gelübde zu erfüllen und ihre Gebete zu verrichten; und alle brachten Gaben von Gold- und Silbermünzen und seltenen und kostbaren Geschenken, welche sie den Göttern in Gegenwart der königlichen Beamten darbrachten. Ferner sah der Prinz Husein ein Fest, das jährlich einmal in der Stadt Bischangarh abgehalten wurde, an dem sich die Untertanen, groà und klein, versammelten und die Pagoden in Prozession umwandelten, vor allem aber eine, die an GröÃe und Pracht alle anderen übertraf. GroÃe und gelehrte Pandits, welche die heiligen Schriften studiert hatten, machten vier- und fünfmonatige Reisen und begrüÃten einander beim Fest.
Ebenso pilgerte das gewöhnliche Volk Indiens von allen Seiten in solchen Mengen zu dem Fest, dass der Prinz Husein über ihren Anblick verblüfft war und wegen der die Tempel umdrängenden Massen die Art und Weise, in welcher die Götter verehrt wurden, nicht zu schauen vermochte. Auf einer Seite der daran stoÃenden Ebene, die sich weit und breit erstreckte, stand ein neuerrichteter Bau von mächtiger GröÃe und hoher Pracht, neun Stockwerke hoch, dessen unterer Teil auf vierzig Säulen ruhte. Hier versammelte der König einmal wöchentlich seine Wesire, um allen Fremden im Land Recht zu sprechen. Das Bauwerk war im Innern reich geschmückt und mit kostbarer Einrichtung versehen; auÃen waren
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