Märchen aus 1001 Nacht
Daher gewann er ihn lieb und zog ihn in sein Vertrauen. Als aber die Versammlung entlassen war, ging Nur Edin nach Hause und erzählte seinem Schwiegervater, was geschehen war; der war hocherfreut darüber. Von da ab verwaltete Nur Edin das Wesirat immerdar so, dass der Sultan sich Tag und Nacht nicht mehr von ihm trennen wollte. Und der Sultan erhöhte seine Einkünfte und Gehälter, bis Nur Edin zu einem reichen Manne wurde und ihm Schiffe gehörten, die auf seinen Befehl Handelsreisen machten; auch hatte er schwarze und weiÃe Sklaven und er legte viele Güter an mit Schöpfwerken und Gärten. Als aber sein Sohn Hassan vier Jahre als war, da starb der alte Wesir, der Vater seiner Gattin; und er hielt eine prunkvolle Totenfeier für seinen Schwiegervater ab, ehe er ihn in den Staub bettete. Darauf befasste er sich mit der Erziehung seines Sohnes; und als der Knabe gröÃer wurde und sieben Jahre alt war, brachte er ihm einen Lehrer, damit der ihn in seinem eigenen Haus unterrichtete; und er trug diesem auf, ihn zu lehren und ihm eine feine Bildung und gute Erziehung zuteil werden zu lassen. So unterrichtete der Meister den Knaben im Lesen, lieà ihn mancherlei nützliches Wissen lernen und las mit ihm den Koran wiederholt im Laufe einiger Jahre. Doch Hassan nahm auch noch immer mehr zu an Lieblichkeit und des EbenmaÃes Vollkommenheit; so wie der Dichter sagt:
Vollkommen wie ein Mond am Himmel seiner Anmut!
Die Sonne geht strahlend auf aus den Blüten seiner Wangen.
Er hat die ganze Anmut in sich vereint und es ist,
Als hätten alle Geschöpfe von ihm ihre Schönheit empfangen.
Und der Lehrer erzog ihn in seines Vaters Palast; denn er verlieà seit seiner Geburt nie das Ministerschloss. Doch eines Tages nahm ihn sein Vater, der Wesir Nur Edin, legte ihm seine besten Kleider an, setzte ihn auf ein ausgewähltes Maultier und führte ihm zum Sultan. Als er dort eintrat, sah der König den Bedir Edin Hassan, den Sohn des Wesirs Nur Edin, an und er hatte Gefallen an ihm und gewann ihn lieb. Das Volk des Reiches aber verwunderte sich, als er mit seinem Vater zum ersten Male an ihnen vorbeiging, auf dem Wege zum König, ob seiner Schönheit; und sie setzten sich am Wege nieder und warteten auf seine Rückkehr, um sich an ihm zu erfreuen, an seiner Schönheit und Lieblichkeit und an seines EbenmaÃes Vollkommenheit; wie es der Dichter in diesen Versen sagt:
Es schaute der Sterndeuter einst, da erschien ihm in der Nacht
Der Liebliche, verwirrend durch seiner Schönheit Pracht.
Orion blieb sinnend stehen, als so der Anmut Gewalt
An ihm sich entfaltete und strahlte aus seiner Gestalt.
Ihm hatte Saturn gegeben sein wunderbar schwarzes Haar
Und ihm die Farbe des Moschus geschenkt für sein Schläfenpaar.
Mars brachte seine Gabe, die Wange ihm rot zu schmücken;
Und der Bogenschütz sandte ihm die Pfeile aus seinen Blicken;
Merkur hatte ihm verliehen den allerschärfsten Verstand,
Der GroÃe Bär von ihm die Blicke der Neider gewandt.
Da stand der Deuter verwirrt ob dessen, was er erblickt,
Und eilte und küsste den Boden vor ihm, der ihn ganz berückt.
Als der Sultan ihn angeschaut hatte, behandelte er ihn mit besonderer Gunst; denn er hatte ihn lieb gewonnen. Und er sagte zu seinem Vater: âO Wesir, du musst ihn unbedingt immer mit dir bringenâ; worauf jener versetzte: âIch höre und gehorche!â Der Wesir ging dann mit seinem Sohn nach Hause und führte ihn immerdar zum Sultan, bis der Knabe sein fünfzehntes Jahr erreichte. Um diese Zeit aber erkrankte sein Vater, der Wesir Nur Edin; und er lieà seinen Sohn kommen und sagte zu ihm: âWisse, O mein Sohn, die irdische Welt ist ein Haus der Vergänglichkeit, aber die himmlische Welt ist ein Haus der Ewigkeit. Ich möchte dir jetzt einige Ermahnungen ans Herz legen; achte auf das, was ich sage und richte deinen Sinn darauf!â Dann gab er ihm Anweisungen über die beste Art des Verkehrs mit den Menschen und über die Art, seine Geschäfte zu leiten. Darauf aber gedachte Nur Edin seines Bruders und seiner Heimat und seines Landes und er weinte ob seiner Trennung von den Freunden. Doch er trocknete seine Tränen und sprach die Verse:
Wenn wir klagen ob Trennung, was sollen wir sagen?
Oder quält uns die Sehnsucht, wohin uns wagen?
Oder senden wir Boten als Dolmetscher für uns?
Nicht bringen die Boten des Liebenden Klagen.
Ober bin
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