Märchen aus 1001 Nacht
weit gegangen in dem, was ich ihm von der Vermählung unserer Kinder sagte. Wäre das nur nicht geschehen! All dies kommt von meinem Unverstand und meiner Unvorsichtigkeit.â Bald darauf aber freite er um die Tochter eines Kaufherrn in Kairo und er schloss den Ehevertrag und ging ein zu ihr. Nun traf es sich so, dass die Nacht, in der Schems Edin zu seiner Gemahlin einging, auch die Hochzeitsnacht von Nur Edin und seiner Gemahlin, der Tochter des Wesirs von Basra, war; denn also hatte Allah der Erhabene es bestimmt, auf dass er an seinen Kreaturen seinen Willen erfülle. Und es geschah auch dies, wie es die beiden Brüder gesagt hatten: ihre beiden Frauen empfingen in derselben Nacht; und die Gemahlin des Schems Edin, des Wesirs von Ãgypten, brachte eine Tochter zur Welt, schöner als man sie je in Kairo erblickt hatte; die Gemahlin des Nur Edin aber gebar einen Knaben, schöner als man je einen gesehn zu seiner Zeit; wie einer der Dichter von seinesgleichen sagt:
Ein schlanker Jüngling, um dessen Stirn und lockiges Haar Die Menschheit in düsterer Trauer und heller Freude war. Schmähet das schöne Mal nicht, das seine Wange schmückt, Das zweifach mit schwarzen Pünktchen die Blicke aller berückt! Und ein anderer.
Man brachte die Schönheit, um ihn zu vergleichen;
Da senkte die Schönheit beschämt ihr Haupt.
Man sprach: O Schönheit, sahst du dergleichen?
Sie rief: Das zu sehn, hätt ich nie geglaubt.
Man nannte den Knaben Bedir Edin Hassan und sein GroÃvater, der Wesir von Basra, freute sich über ihn; und er veranstaltete Feste und Gastmähler, wie sie sich für Söhne von Königen geziemen wurden. Dann nahm er den Nur Edin mit sich und brachte ihn zum Sultan; und als jener vor den König trat, küsste er den Boden vor ihm. Er besaà aber groÃe Redegewalt, sein fester Geist entschloss sich bald, er war gut im Tun und schön von Gestalt; und so sprach er diese Verse:
Lang mögen dir die Freuden dauern, O mein Herr!
Mögest du so lange leben wie Nacht und Tageslicht!
Es tanzt die Welt, die Zeit klatscht in die Hände,
Wenn man von dir und deinem hohen Eifer spricht.
Da erhob der Sultan sich, um die beiden zu ehren; er dankte dem Nur Edin für seine Worte und fragte seinen Wesir: âWer ist der Jüngling?â Da musste der Wesir seine Geschichte von Anfang bis zu Ende erzählen. Zunächst antwortete er: âDies ist meines Bruders Sohn.â Dann fragte der Sultan weiter: âUnd wie kommt es, dass er dein Neffe ist und wir nie von ihm hörten?â Der Wesir antwortete: âO unser Herr und Sultan, ich hatte einen Bruder, der war Wesir im Lande Ãgypten; und als er starb, hinterlieà er zwei Söhne, von denen der ältere an seines Vaters Stelle Wesir wurde, während dieser, sein jüngerer Sohn, zu mir kam. Nun hatte ich geschworen, meine Tochter niemandem zu vermählen als ihm; und als er kam, vermählte ich ihn also meiner Tochter. Er ist noch jung, ich aber bin ein alter Greis geworden; mein Gehör hat abgenommen und meine Tätigkeit ist zu Ende gekommen; und deshalb wollte ich unseren Herrn und Sultan bitten, ihn an meine Stelle zu setzen, denn er ist meines Bruders Sohn und Gatte meiner Tochter. Er verdient das Wesirat; denn er ist ein Mann von Einsicht und Umsicht.â Der Sultan blickte Nur Edin an und er gefiel ihm; und so gab er ihm das Amt, um das der Wesir für ihn bat. Und er ernannte ihn in aller Förmlichkeit und schenkte ihm ein prachtvolles Ehrengewand und eine Mauleselin aus seinem eigenen Gestüt; ferner verlieh er ihm Gehalt und Einkünfte. Nur Edin aber küsste dem Sultan die Hand; und sie gingen hocherfreut nach Hause, er und sein Schwiegervater und sagten: âAll dies kommt durch das Glück des neugeborenen Hassan!â Darauf trat Nur Edin am nächsten Tage vor den König, küsste den Boden und sprach die Verse:
Das Glück erneue sich mit jedem Tage,
Ein guter Stern besieg des Neiders List.
Weià seien deine Tage immerdar,
Doch schwarz der Tag des, der dir feindlich ist!
Da gebot ihm der Sultan, sich auf den Sessel des Wesirs zu setzen und er setzte sich und übernahm die Pflichten seines Amtes und untersuchte die Angelegenheiten und Streitsachen der Untertanen, wie es die Gewohnheit der Wesire ist. Der Sultan sah ihm zu und wunderte sich darüber, wie er so bestimmt und verständig seine Anordnungen und Entscheidungen traf.
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