Märchen aus 1001 Nacht
nicht mehr, wo es war.â Infolgedessen sagte Musa: âSo lass uns weiterziehen, vielleicht wird uns Allah dorthin führen oder uns doch in seiner Allmacht recht leiten.â Hierauf zogen sie bis zur Mittagszeit weiter, als sie zu einem ebenen, hübschen und ganz gleichmäÃigen Gefilde gelangten, als wäre es das Meer, wenn es ruhig und still daliegt und bald darauf erblickten sie am Horizont einen hohen und groÃen schwarzen Gegenstand, über dem ein Rauch zu den Wolken des Himmels aufzusteigen schien. Da ritten sie auf den Gegenstand zu, bis sie ihm nahe gekommen waren und siehe, da war es ein hoher Bau mit festen Fundamenten, furchtbar und gewaltig wie ein hoher Berg, aus schwarzen Steinen erbaut, mit dräuenden Zinnen und einem Tor aus chinesischem Eisen, das mit seinem Blitzen und Blinken die Blicke blendete und die Sinne verwirrte. Rings um das Gebäude befanden sich tausend Stufen und was ihnen aus der Ferne Rauch geschienen hatte, da es mitten über dem Schloss aufstieg, war eine Kuppel von Blei, deren Höhe hundert Ellen betrug und die aus der Ferne wie Rauch aussah. Bei ihrem Anblick verwunderte sich der Emir Musa, zumal das Schloss unbewohnt dalag; der Führer aber sprach: âLasst uns näher treten und das Schloss beschauen.â Mit einem Male, als er sich vergewissert hatte, rief er: âEs ist kein Allah auÃer Allah und Mohammed ist der Gesandte Allahs!â Da sagte der Emir Musa zu ihm: âIch sehe, du preisest und heiligest Allah, den Erhabenen und du scheinst dich zu freuen.â Der Scheich erwiderte: âO Emir, freue dich, denn Allah - gesegnet sei Er, der Erhabene! hat uns aus den öden Wüsten und den verschmachtenden Stepppen befreit.â Musa sagte: âWoher weiÃt du dies?â Und der Scheich versetzte: âWisse, mein Vater erzählte mir, er hätte von meinem GroÃvater gehört, dass er auf seiner Reise durch diese Gegend, in der wir vom Wege abirrten, zu diesem Schloss und hier zur Messingstadt gekommen sei. Bis zu dem Orte, den du aufsuchst, sind nur noch zwei Monde.â Da rief der Emir Musa: âAllah erfreue dich mit guter Botschaft! Kommt, lasset uns näher treten und dies Schloss und seine Wunderdinge anschauen, damit es eine Lehre ist für alle, die sich belehren lassen.â Hierauf schritt der Emir Musa, begleitet von dem Scheich Abd es-Samad und seiner nächsten Umgebung, auf das Schloss zu, dessen Portal sie offen fanden. Es hatte hohe Pfeiler und unter den Stufen, die zu ihm hinaufführten, befanden sich zwei breite Stufen aus buntem Marmor, wie man dergleichen bisher nicht gesehen hatte. Die Decken und Mauern waren mit Gold, Silber und edlem Gestein eingelegt und über dem Tore befand sich eine Tafel mit Schriftzeichen beschrieben. Da sagte der Scheich Abd es-Samad: âSoll ichâs lesen, O Emir?â Und Musa erwiderte: âTritt herzu und lies und Allah segne dich, denn alles, was wir auf dieser Reise erleben, rührt von deinem Segen her!â Da las er es und siehe, es standen folgende Verse darauf:
Hier schaust du ein Volk, das nach seinen gewaltigen WerkenÂ
Die Herrschaft beweint, die ihm entrissen;
Und das Schloss hier gibt dir die letzte KundeÂ
Von stolzen Herren, die nun im Staube ruhn.
Der Tod hat sie vertilgt und getrennt,Â
Und im Staube verloren sie ihre Schätze all;
Als hätten sie zur Rast nur die Lasten abgenommenÂ
Und wären dann schnell wieder heimwärts gezogen.
Da begann der Emir Musa zu weinen und rief: âEs gibt keine Macht und keine Kraft auÃer bei Allah, dem Lebendigen, dem Ewigen, der immerdar währt!â Hierauf trat er ins Schloss, dessen Schönheit und Bauart ihn verwirrten. Nachdem er die Bilder und Statuen, die sich dort im Schloss befanden, betrachtet hatte, fand er über eine der Türen gleichfalls Verse geschrieben und sagte zum Scheich: âTritt herzu und lies.â Da trat der Scheich herzu und las folgende Verse:
Wie viele Scharen kehrten in alter Zeit
Unter ihre Rundzelte ein und fuhren wieder von hinnen!
Schau denn, wie der Wandel der Zeit mit anderen verfuhr,Â
Der solche Gewaltige überfiel.
Gemeinsam teilten sie alle ihre Schätze
Und verlieÃen ihre Freuden hier und fuhren von hinnen.
Wie viele Freuden genossen sie! Was alles aÃen sie!
Doch sanken sie in den Staub und wurden gefressen.
Da weinte der Emir Musa bitterlich, die Welt wurde gelb in seinem Angesicht und
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