Märchen aus China - Vollständige Ausgabe mit Anmerkungen in der Übersetzung von Richard Wilhelm
dem Ohr und schlug unbesehen alles kurz und klein, so dass die Sternengötter ihre Tür schlossen und die Himmelswächter davonliefen. Er kam an das Schloss des Himmelsherrn und konnte gerade noch durch den Torhüter mit seiner stählernen Peitsche zurückgehalten werden. Nun hetzte man die sechsunddreißig Donnergötter auf ihn, die ihn umringten, aber ihn nicht packen konnten.
Der Himmelsherr sagte: »Buddha weiß in allen Fällen Rat; schnell, lasst ihn holen!«
So kam denn Buddha aus dem Westen herbei mit Ananda und Kashiapa, seinen Jüngern. Als er das Getümmel sah, da sagte er: »Lasst erst mal die Waffen ruhen und führt den Heiligen heraus! Ich will mit ihm reden.« Die Götter zogen sich zurück. Sun Wu Kung fragte schnaubend: »Wer bist du, dass du mit mir zu reden wagst?«
Buddha lächelte und sprach: »Ich bin aus dem seligen Westen Shakiamuni Amitofu. Ich habe von deinem Aufruhr gehört und bin gekommen, dich zu zähmen.«
Sun Wu Kung sprach: »Ich bin der steinerne Affe, der geheimen Sinn erlangt hat. Ich kann mich zweiundsiebzig Mal verwandeln und lebe so lange wie der Himmel. Womit hat der Himmelsherr es denn verdient, dass er ewig auf seinem Throne bleiben will? Er soll mir Platz machen, dann bin ich zufrieden.«
Buddha sagte lächelnd: »Du bist ein Tier, das Zauberkraft erlangt. Wie willst du denn als Herr des Himmels herrschen? Du musst wissen, dass der Himmelsherr schon seit Äonen an seiner Tugend gearbeitet hat. Wieviel Jahre fehlen dir noch, um seine Würde zu erreichen! Und dann frage ich dich, kannst du außer deinen Verwandlungskünsten noch irgend etwas anderes?«
Sun Wu Kung sprach: »Ich kann Wolkenpurzelbäume schlagen. Mit jedem komme ich achtzehntausend Meilen weit. Das reicht doch wahrlich aus, um Himmelsherr zu sein!«
Buddha sagte lächelnd: »Wir wollen eine Wette machen. Wenn du mit einem Purzelbaum aus meiner Hand herauskommst, dann werde ich den Himmelsherrn bitten, dir Platz zu machen. Kommst du aber nicht heraus, so musst du dich in meine Fesseln fügen.«
Sun Wu Kung verhielt sich das Lachen; denn er dachte: »Dieser Buddha ist ein verrückter Kerl! Seine Hand ist keinen Fuß lang; wie soll ich da nicht herausspringen können!« So sagte er denn mit vollem Munde: »Ja!«
Buddha streckte nun seine rechte Hand aus. Sie glich einem kleinen Lotosblatt. Sun Wu Kung sprang mit einem Satz darauf. Dann sagte er: »Los!« Dann machte er einen Purzelbaum nach dem andern, dass es nur so ging wie ein Wirbelwind. Während er so dahinsauste, sah er fünf hohe, rötliche Säulen zum Himmel ragen. Da dachte er: »Das ist das Ende der Welt. Ich will umkehren und Herr des Himmels werden. Aber ich will meinen Namen noch hier anschreiben zum Beweis, dass ich da war.« Er zog ein Haar heraus, verwandelte es in einen Pinsel und schrieb mit großen Buchstaben an die mittlere Säule: »Der himmelsgleiche Große Heilige.« Dann ging er noch ein wenig umher und erleichterte sich an der ersten der fünf Säulen. Dann machte er wieder seine Purzelbäume, bis er an den ursprünglichen Platz kam. Er sprang von der Hand herunter und sagte lachend: »So, nun mach’ rasch, dass der Himmelsherr sein Himmelsschloss mir einräumt! Ich war am Ende der Welt und habe ein Zeichen dort hinterlassen.«
Buddha schalt: »Du infamer Affe, hast mir in die Hand gepisst! Wie willst du denn behaupten, dass du aus meiner Hand gekommen seist? Sieh einmal, ob an meinem Mittelfinger unten »der himmelgleiche Große Heilige« steht oder nicht! Und da, mein Daumen ist noch nicht trocken, und du willst immer noch recht haben?«
Sun Wu Kung erschrak aufs Äußerste; denn er sah auf den ersten Blick, dass es sich so verhielt. Noch gab er sich äußerlich nicht zufrieden, sagte, er wolle noch einmal nachsehen, und suchte die Gelegenheit zu benutzen, um sich davonzumachen. Aber Buddha deckte die Hand auf ihn, schob ihn zum Himmelstor hinaus und bildete aus Wasser, Feuer, Holz, Erde und Metall ein Gebirge, das er ganz sachte auf ihn deckte, um ihn festzuhalten. Ein Zauber, der an einen Felsen geklebt war, hielt ihn fest.
Hier musste er jahrhundertelang liegen, bis er endlich sich bekehrte und erlöst wurde, um dem Mönch vom Yangtsekiang zu helfen, die heiligen Schriften aus dem Westen zu holen. Er verehrte den Mönch als Meister und hieß von da ab der Wandernde. Guan Yin, die ihn befreite, gab dem Mönch einen goldenen Reif. Sun Wu Kung ward bewogen, ihn aufzusetzen, und sofort wuchs er ihm ins Fleisch hinein, dass er
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