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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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Nachbarn herauskamen und sich über die Streitenden amüsierten. Auch der Bruder stand an der Türschwelle des Hauses und lachte.
    »Jetzt wird er leise«, brüllte der Händler und schlug Farag noch einmal auf die Schulter. Die Nachbarn lachten. »Und du willst Hamad beleidigen?« fragte der Händler und beugte sich zu Farag hinunter. Da holte Farag aus und schlug dem Händler mit aller Kraft ins Gesicht, so daß dieser hinfiel und regungslos auf dem Rücken liegenblieb. Die Nachbarn schrien laut, trugen den bewußtlosen Händler ins Haus und schlichen sich leise an Farag vorbei, der bereits eingeschlafen war. Am nächsten Morgen trat der Bruder mit dem Händler aus dem Haus und weckte Farag. »Mein Freund Hamad wird dich verklagen«, sagte er, »weil du seine Frau bedroht, seine Mauer mißbraucht und ihn grundlos geschlagen hast.«
    »Gut«, erwiderte Farag und ging vor ihnen her. Doch es verging keine halbe Stunde, als ein Mann zu Farag gerannt kam.
    »Hör mal, Bruder«, sagte er leise, »ich habe gestern abend alles gesehen. Laß dir helfen, Bruder, sonst bist du verloren. «
    »Und warum willst du mir helfen?«
    »Ich liebe die Bauern. Bruder, es kostet dich nur wenig. Ich werde den Händler beschuldigen«, sprach der Mann und hielt Farag am Hemd fest.
    »Laß mich in Ruhe, außer Malven und Brot habe ich nichts. Ich will auch niemanden beschuldigen.«
    »Bruder, du bist ein Idiot. Du bist verloren. Wenn ich mich dem Händler als Zeuge anbiete, dann macht er dich fertig. Sei vernünftig«, zürnte der Mann und schüttelte Farag.
    »Laß mich doch los!« rief dieser verzweifelt und schubste den aufdringlichen Kerl von sich. Dieser drehte sich im Kreise und fiel zu Boden. Dann begann er entsetzlich zu schreien und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Doch Farag ging ungerührt weiter und hielt erst an, als sein Bruder ihm zurief: »He, Farag, du Unglücksrabe, du hast dem Mann ein Auge ausgeschlagen.« Farag staunte darüber, weil er den Burschen an der Brust und nicht im Gesicht getroffen hatte.
    »Dann soll er über mich Klage führen.« So gingen sie zu dritt hinter Farag her.
    Ein Bauer, der sein Pferd mit Holz beladen hatte, um es nach Damaskus zu bringen, überholte Farag, doch alsbald brach der Gaul unter der Last zusammen.
    Der Bauer schrie: »Hilfe, Hilfe, mein Gaul erstickt unter seiner Last. Helft mir doch, in Gottes Namen, helft mir, ihn aufzurichten.«
    Die drei Kläger gingen grinsend an dem Unglücklichen vorbei. »Du solltest deinen Gaul nicht so überladen«, riet der Bruder. »Du hättest ein Maultier nehmen sollen. Es verkraftet mehr als ein Pferd«, meinte der Händler. »Ich kann dir günstig ein Maultier beschaffen«, sagte der einäugige Zeuge.
    Nur Farag eilte zum Holzhauer und versuchte den Gaul am Zügel hochzuziehen, dann packte er ihn am Schwanz und half ihm mit einem Ruck auf die Beine, doch dabei riß er den Schwanz ab.
    Wütend rief der Holzhauer: »Du hast mir meinen Gaul verdorben; du mußt mir den Preis dafür bezahlen.«
    »Ich habe kein Geld«, erwiderte Farag beschämt.
    »Dann werde ich gegen dich Klage führen«, sagte der Holzhauer.
    »Es sind ihrer schon drei, die gehen, gegen mich Klage zu führen; geh auch du noch mit, dann sind es ihrer vier.«
    So zogen sie weiter. Als sie nun in die Nähe des Rathauses kamen, wo der Richter saß, bekam Farag Angst. Er suchte Schutz in der Moschee, doch seine vier Kläger rannten hinter ihm her. Er flüchtete auf das Minarett, aber auch dorthin folgten sie ihm. Da rief er verzweifelt: »Geht und laßt mich armen, unglücklichen Mann in Ruhe, sonst bringe ich mich um.« Doch seine Verfolger eilten die Treppe zu ihm hinauf; da sprang er von der Spitze des Minaretts. Es hatte sich jedoch ein Mann im Schatten der Moschee zur Ruhe hingelegt. Als Farag sich nun vom Minarett hinabstürzte, fiel er auf den Schlafenden und erdrückte ihn.
    Da packten ihn dessen Angehörige; so wurden es fünf Ankläger.
    Die fünf schleiften Farag vor den Richter. Dieserfragte: »Was hast du, Mann, mit diesen fünf Klägern angestellt, daß sie, obwohl einander fremd, gegen dich doch einig sind?«
    Farag erzählte die Geschichte mit seinem Bruder. Der Richter fragte den Bruder und hörte genau zu, dann entschied er: »Du gibst ihm auf der Stelle fünfhundert Piaster. Hundert davon für das Lamm und vierhundert für dein nicht eingelöstes Wort. Worte sind teurer als Lämmer. Zahlst du nicht, so lasse ich dich dafür neun Monate ins Gefängnis werfen. Neun

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