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Maerchen aus Malula

Titel: Maerchen aus Malula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafik Schami
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handelten sich nur Schnabelhiebe ein. Nach einer Weile war die Oase entvölkert. Nur der Fuchs schaute vergnügt dem Kampf zu. DerRabe kämpfte tapfer, doch schließlich unterlag er der Übermacht des Pfaus. Verletzt schleppte er sich in eine Ecke und fing an, über sein Unglück zu klagen. Der Pfau stolzierte herum: »Laß es dir eine Lehre sein, Sohn der Nacht. Dem König mußt du dein Herz zu Füßen legen, sonst wirst du in deinem Leben noch viel zahlen!«
    »Gib doch bitte nicht so an«, erwiderte der Fuchs, »du hast den tapferen Raben besiegt, weil du zehnmal größer bist als er. Du wirst dich aber vor einem Kampf mit einem gleich Starken drücken.«
    »Ich nehme es mit jedem auf! Nicht einmal vor einem Tiger werde ich mich verstecken!« schrie der Pfau, immer noch außer Atem, zurück.
    »Dann laß uns kämpfen! Nur so zum Spiel!« rief der Fuchs und sprang den Pfau an. Doch dieser wehrte sich mit kräftigen Hieben. Lange dauerte das Ringen, doch dann packte der Fuchs den Pfau am Hals.
    »Laß das, das tut ja gemein weh«, winselte dieser, doch der Fuchs brach ihm den Hals. »Für dich, lieber Rabe, habe ich es getan«, säuselte er und fraß den Pfau.
    »Nein, du mußt mich fressen, ob du es willst oder nicht«, antwortete der Rabe verzweifelt, »aber ich bitte dich um einen letzten Gefallen.«
    »Und der wäre?« fragte der Fuchs und packte den Raben mit seinem Maul.
    »Ich habe nicht verstanden, wie du mit deinem kleinen Maul den großen Hals des Pfaus umdrehen konntest. Wie weit kannst du dein Maul eigentlich öffnen?«
    Am nächsten Tag wanderten der Fuchs und der Rabe weiter, doch als es Mittag wurde, rief der Fuchs: »Mein lieber Weggenosse, laß uns hier eine kleine Rast machen. Der heilige Ort ist nicht mehr weit.« Der Rabe wollte sich einen schattigen Platz suchen, doch plötzlich sprang der Fuchs auf ihn zu und packte ihn: »Hast du gedacht, ich lasse dich amLeben, damit du den anderen erzählst, was ich getan habe?«
    »Nein, du musst mich fressen, ob du es willst oder nicht, antwortete der Rabe verzweifelt, aber ich bitte dich um einen letzten Gefallen.«
    »Und der wäre?« fragte der Fuchs und packte den Raben mit seinem Maul.
    »Ich habe nicht verstanden, wie du mit deinem kleinen Maul den großen Hals des Pfaus umdrehen konntest. Wie weit kannst du dein Maul eigentlich öffnen?«
    »So weit!« rief der Fuchs und sperrte sein Maul auf. Der Rabe sprang schnell heraus und flatterte davon. Nach einem kurzen Flug erreichte er den heiligen Ort. Dort standen Tausende von Tieren und beteten. Der Rabe kreiste über ihnen und sah viele Füchse unter den betenden Lämmern, Hasen und Fasanen. »Quark, Quark, daß der Fuchs ein Pilger wird, ist doch Quark, Quark!« krächzte er und zog seine Kreise. Viele Tiere schauten den Raben verärgert an. Sie riefen ihm zu, er solle mit seinen Rufen den Frieden des heiligen Ortes nicht stören, doch der Rabe kreiste über ihnen und rief: »Quark, das ist doch Quark, wenn der Fuchs den Pilger spielt, Quark, Quark!« Als zwei Adler ihr Gebet unter den Hühnern unterbrachen, um den Störenfried zu vertreiben, machte sich der Rabe davon, doch er fliegt bis heute in der Welt herum und ruft: »Quark, Quark!«

 
    DIE FÜNF KLÄGER
    oder
    WAS UNDANKBARKEIT ALLES INS
    ROLLEN BRINGEN KANN
     
    Vor langer Zeit, so erzählen die Großväter, lebte in Malula ein Mann namens Farag. Zusammen mit seiner Frau und seinen drei Kindern bewohnte er ein kleines Haus neben der Wasserquelle. Sein Bruder, der ein reicher Mann war, sehnte sich vergebens nach einem Sohn. Eines Tages bat er Farag: »Bete fürmich, daß ich endlich Söhne bekomme. Gott ist eigenwillig, weder erreichen meine frommen Gebete sein Ohr noch können die Opfergaben meiner Frau sein Herz erweichen. Der Allmächtige erfüllt manchmal nur aus einer Laune heraus die Wünsche der Sündigen.« Farag lachte: »Wenn ich für dich bete und du Söhne kriegst, was willst du mir dafür geben, Bruder?«
    »Ich will dir ein Lamm geben«, antwortete der Bruder. Farag, der seinen Bruder und seinen Geiz gut kannte, erwiderte: »Und was ist, wenn du dein Versprechen nicht hältst?«
    »Aber Bruder! Hast du kein Vertrauen zu mir? Wenn ich mein Wort nicht halte, darfst du mir mitten im Sonntagsgebet vor allen Gläubigen hundert Ohrfeigen geben.«
    »Gut!« stimmte Farag zu und betete. Nach neun Monaten brachte seine Schwägerin einen schönen Sohn zur Welt.
    Farag freute sich über das Kind und noch mehr über das versprochene Lamm.

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