Maerchen Fuer Kinder
Topf.
»Lebewohl! Lebewohl!« flüsterte der kleine Elf, er konnte es nicht länger ertragen, all' diesen Schmerz zu sehen, und flog deshalb hinaus zu seiner Rose im Garten; aber die war abgeblüht, da hingen nur einige bleiche Blätter an der grünen Hagebutte.
»Ach, wie bald ist es doch mit all' dem Schönen und Guten vorbei!« seufzte der Elf. Zuletzt fand er eine Rose wieder, die wurde sein Haus, hinter ihren feinen und duftenden Blättern konnte er wohnen.
Jeden Morgen flog er nach dem Fenster des armen Mädchens, und da stand sie immer bei dem Blumentopf und weinte. Die bitteren Thränen fielen auf den Jasminzweig, und mit jedem Tage, wie sie bleicher und bleicher und bleicher wurde, stand der Zweig frischer und grüner da, ein Schößling trieb nach dem andern hervor, kleine, weiße Knospen blühten auf, und sie küßte sie, aber der böse Bruder schalt und fragte, ob sie närrisch geworden sei? Er konnte es nicht begreifen, weshalb sie immer über den Blumentopf weine. Er wußte ja nicht, welche Augen da geschlossen und welche roten Lippen da zu Erde geworden waren; sie neigte ihr Haupt gegen den Blumentopf, und der kleine Elf von der Rose fand sie so schlummern; da setzte er sich in ihr Ohr, erzählte von dem Abend in der Laube, vom Duft der Rose, und der Elfen Liebe; sie träumte süß, und während sie träumte, entschwand das Leben, sie war eines stillen Todes verblichen, sie war bei ihm, den sie liebte, im Himmel.
Und die Jasminblumen öffneten ihre großen, weißen Glocken, sie dufteten eigentümlich süß, anders konnten sie nicht über die Tote weinen.
Aber der böse Bruder betrachtete den schön blühenden Strauch, nahm ihn als ein Erbgut zu sich, und setzte ihn in seine Schlafstube, dicht beim Bette, denn er war herrlich anzuschauen und der Duft war süß und lieblich. Der kleine Rosenelf folgte mit, flog von Blume zu Blume, in jeder wohnte ja eine kleine Seele, und der erzählte er von dem ermordeten jungen Mann, dessen Haupt nun Erde unter der Erde war, erzählte von dem bösen Bruder und der armen Schwester.
»Wir wissen es,« sagte eine jede Seele in den Blumen, »wir wissen es! Sind wir nicht aus des Erschlagenen Augen und Lippen entsprossen? Wir wissen es; wir wissen es!« Und dann nickten sie sonderbar mit dem Kopfe.
Der Rosenelf konnte es gar nicht begreifen, wie sie so ruhig sein konnten, und flog hinaus zu den Bienen, die Honig sammelten, erzählte ihnen die Geschichte von dem bösen Bruder, und die Bienen sagten es ihrer Königin, welche befahl, daß sie alle am nächsten Morgen den Mörder umbringen sollten.
Aber in der Nacht vorher, es war die erste Nacht, welche auf den Tod der Schwester folgte, als der Bruder in seinem Bette dicht neben dem duftenden Jasminstrauch schlief, öffnete sich ein jeder Blumenkelch, unsichtbar, aber mit giftigen Spießen, stiegen die Blumenseelen hervor und setzten sich zuerst in seine Ohren und erzählten ihm böse Träume, flogen darauf über seine Lippen und stachen seine Zunge mit den giftigen Spießen. »Nun haben wir den Toten gerächt!« sagten sie und flogen zurück in des Jasmins weiße Glocken.
Als es Morgen wurde, und das Fenster der Schlafstube geöffnet wurde, fuhr der Rosenelf mit der Bienenkönigin und dem ganzen Bienenschwarm herein, um ihn zu töten.
Aber er war schon tot; es standen Leute rings um das Bett, die sagten: »Der Jasminduft hat ihn getötet!«
Da verstand der Rosenelf der Blumen Rache, und er erzählte es der Königin der Bienen, und sie summte mit ihrem ganzen Schwarm um den Blumentopf; die Bienen waren nicht zu verjagen; da nahm ein Mann den Blumentopf fort und eine der Bienen stach seine Hand, sodaß er den Topf fallen ließ und er zerbrach.
Da sahen sie den bleichen Totenschädel, und sie wußten, daß der Tote im Bette ein Mörder war.
Die Bienenkönigin summte in der Luft und sang von der Rache der Blumen und von dem Rosenelf, und daß hinter dem geringsten Blatte einer wohnt, der das Böse erzählen und rächen kann!
Die alte Straßenlaterne.
Hast Du die Geschichte von der alten Straßenlaterne gehört? Sie ist gar nicht sehr belustigend, doch einmal kann man sie wohl hören. Es war eine gute, alte Straßenlaterne, die viele, viele Jahre gedient hatte, aber jetzt entfernt werden sollte. Es war der letzte Abend, an welchem sie auf dem Pfahle saß und in der Straße leuchtete, und es war ihr zu Mute, wie einer alten Tänzerin, welche den letzten Abend tanzt und weiß, daß sie morgen vergessen in der
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