Maerchen Fuer Kinder
linken Fuß kratzen wollten.
Der Junge, welcher im Nest zurückgeblieben war, machte sich so breit, wie er nur konnte, er war ja nun Hauseigentümer, aber lange währte es nicht. – In der Nacht leuchtete das rote Feuer durch die Fenster, die Flammen schlugen unter dem Dache hervor, das dürre Stroh loderte auf, das ganze Haus verbrannte, und der junge Sperling mit, die jungen Leute aber kamen glücklich davon.
Als die Sonne am nächsten Morgen wieder aufgegangen war und alles wie nach einem sanften Nachtschlaf erquickt schien, war von dem Bauernhofe weiter nichts übrig geblieben, als einige schwarze, verkohlte Balken, die sich gegen den Schornstein anlehnten, der nun sein eigener Herr war. Aus dem Grunde erhob sich noch starker Rauch, aber vor demselben stand frisch und blühend der ganze Rosenstrauch, der jeden Zweig und jede seiner Blumen in dem ruhigen Wasser spiegelte.
»Wie schön stehen die Rosen vor dem abgebrannten Hause!« rief ein Mann, welcher daherkam, aus. »Das ist das lieblichste kleine Bild, das muß ich haben!« Der Mann zog aus der Tasche ein kleines Buch mit weißen Blättern hervor, und nahm seine Bleifeder, denn er war ein Maler, und zeichnete dann den rauchenden Schutt, die verkohlten Balken gegen den überhängenden Schornstein, denn dieser neigte sich mehr und mehr, aber vorn stand der große, blühende Rosenstrauch, der war wahrhaftig schön und war ja auch allein Veranlassung, daß das Ganze gezeichnet wurde.
Später am Tage kamen zwei Sperlinge vorbei, die hier geboren waren. »Wo ist das Haus?« sagten sie. »Wo ist das Nest? – Piep! Alles ist verbrannt und unser starker Bruder ist mit umgekommen; das hatte er davon, daß er das Nest behielt. – Die Rosen sind gut davon gekommen, die stehen noch mit roten Wangen da. Sie trauern also nicht über des Nachbars Unglück. Ich spreche nicht mit ihnen, und häßlich ist es hier, das ist meine Meinung!« Dann flogen sie fort.
Spät im Herbst gab es einen schönen, sonnenhellen Tag, man hätte glauben können, man sei noch mitten im Sommer. Es war trocken und rein im Hofe vor der großen Treppe beim Edelmann, und da gingen die Tauben, sowohl schwarze als weiße und bunte, sie glänzten im Sonnenschein und die alten Taubenmütter sagten zu den Jungen: »Steht in Gruppen, Kinder! Steht in Gruppen, Kinder!« denn so nahmen sie sich weit besser aus.
»Was ist das kleine graue, was hier zwischen uns herumläuft?« fragte die alte Taube, welche rot und grün in den Augen hatte. »Kleine Graue, kleine Graue!« sagte sie.
»Das sind Sperlinge, gute Tierchen! Wir haben stets in dem Ruf gestanden, gutmütig zu sein, darum wollen wir ihnen auch gestatten, etwas mit aufzulesen! – Sie sprechen nicht mit und kratzen so niedlich mit dem Fuße.«
Ja, sie kratzten, dreimal kratzten sie mit dem linken Fuße, aber sie sagten auch piep! Und dann erkannten sie sich; es waren drei Sperlinge vom abgebrannten Hause.
»Hier ist außerordentlich gut fressen!« sagten die Sperlinge. Und die Tauben gingen um einander herum, brüsteten sich und hatten ihre Ansicht inwendig.
»Siehst Du die Kropftaube?« sagte die eine Taube zu der andern. »Siehst Du, wie sie Erbsen verschluckt? Sie bekommt zu viel; sie bekommt die besten! Kurr, kurr! Siehst Du, wie die da kahl im Kamme wird, siehst Du das häßliche, das boshafte Tier? Kurre kurre!« Und ganz rot funkelten aller Augen vor Bosheit. »Steht in Gruppen, steht in Gruppen! Kleine Graue, kleine Graue! Kurre, kurre, kurre!« So ging es in einem fort unter den sanften Tauben und Täubchen, und so geht es wohl noch nach tausend Jahren.
Die Sperlinge fraßen gut, und sie hörten gut, ja, sie stellten sich sogar mit auf, aber das stand ihnen nicht gut. Zuletzt waren sie satt und gingen von den Tauben weg und äußerten gegenseitig ihre Meinung über dieselben, hüpften dann unter den Gartenzaun, und da die Thür zum Gartenzimmer offen stand, hüpfte der eine auf die Thürschwelle, er war übersatt und deshalb mutig. »Piep!« sagte er; »das wage ich!« – »Piep!« sagte der zweite, »das wage ich auch, und noch etwas mehr!« Und dann hüpfte er in das Zimmer hinein. Es befanden sich keine Leute darin, das sah der dritte wohl, und dann flog er noch weiter in das Zimmer hinein und sagte: »Ganz oder gar nicht! Dies ist übrigens ein sonderbares Menschennest, und was ist hier aufgestellt, was ist das?«
Gerade vor den Sperlingen blühten die Rosen, sie spiegelten sich im Wasser, und die verkohlten Balken lagen gegen
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