Maerchen Fuer Kinder
so gut haben, wie Du es nur wünschest!«
»Das ist herrlich!« sagte Däumelinchen und klatschte in die kleinen Hände.
Da lag eine große, weiße Marmorsäule, welche zu Boden gefallen und in drei Stücke gesprungen war, aber zwischen diesen wuchsen die schönsten, großen, weißen Blumen. Die Schwalbe flog mit Däumelinchen hinunter und setzte sie auf eins der breiten Blätter. Aber wie erstaunte diese! Da saß ein kleiner Mann mitten in der Blume, so weiß und durchsichtig, als wäre er von Glas; die niedlichste Goldkrone trug er auf dem Kopfe und die herrlichsten, klaren Flügel an den Schultern, er selbst war nicht größer als Däumelinchen. Es war der Blume Engel. In jeder Blume wohnte so ein kleiner Mann oder eine Frau, aber dieser war der König über alle.
»Gott, wie ist er schön!« flüsterte Däumelinchen der Schwalbe zu. Der kleine Prinz erschrak sehr über die Schwalbe, denn sie war gegen ihn, der so klein und fein war, ein Riesenvogel; aber als er Däumelinchen erblickte, wurde er hocherfreut; sie war das schönste Mädchen, das er je gesehen hatte. Deswegen nahm er seine Goldkrone vom Haupte und setzte sie ihr auf, fragte, wie sie heiße und ob sie seine Frau werden wolle, dann solle sie Königin über alle Blumen werden! Ja, das war wahrlich ein anderer Mann als der Sohn der Kröte und der Maulwurf mit dem schwarzen Samtpelze. Sie sagte deshalb ja zu dem herrlichen Prinzen, und von jeder Blume kam eine Dame oder ein Herr, so niedlich, daß es eine Lust war; jeder brachte Däumelinchen ein Geschenk, aber das beste von allen waren ein Paar schöne Flügel von einer großen, weißen Fliege; sie wurden Däumelinchen am Rücken befestigt, und nun konnte sie auch von Blume zu Blume fliegen. Da gab es viele Freude, und die Schwalbe saß oben in ihrem Neste und sang ihnen vor, so gut sie konnte; aber im Herzen war sie doch betrübt, denn sie war Däumelinchen gut und hätte sich nie von ihr trennen mögen.
»Du sollst nicht Däumelinchen heißen!« sagte der Blumenengel zu ihr. »Das ist ein häßlicher Name und Du bist schön. Wir wollen Dich Maja nennen.«
»Lebe wohl, lebe wohl!« sagte die kleine Schwalbe und flog wieder fort von den warmen Ländern, weit weg nach Deutschland zurück; dort hatte sie ein kleines Nest über dem Fenster, wo der Mann wohnt, der Märchen erzählen kann, vor ihm sang sie »Quivit, quivit!« Daher wissen wir die ganze Geschichte.
Der kleine Klaus und der große Klaus.
In einem Dorfe wohnten zwei Leute, die beide denselben Namen hatten. Beide hießen Klaus, aber der eine besaß vier Pferde und der andere nur ein einziges Pferd. Um sie nun von einander unterscheiden zu können, nannte man den, der vier Pferde besaß, den großen Klaus, und den, der nur ein einziges Pferd hatte, den kleinen Klaus. Nun wollen wir hören, wie es den beiden erging, denn es ist eine wahre Geschichte.
Die ganze Woche hindurch mußte der kleine Klaus für den großen Klaus pflügen und ihm sein einziges Pferd leihen, dann half der große Klaus ihm wieder mit allen seinen vieren, aber nur einmal wöchentlich, und das war des Sonntags. Hussa, wie klatschte der kleine Klaus mit seiner Peitsche über alle fünf Pferde! Sie waren ja nun so gut wie sein an dem einen Tage. Die Sonne schien herrlich und alle Glocken im Kirchturm läuteten zur Kirche, die Leute waren alle geputzt und gingen mit dem Gesangbuche unter dem Arme, den Prediger predigen zu hören, und sie sahen den kleinen Klaus, der mit fünf Pferden pflügte, und er war so vergnügt, daß er wieder mit der Peitsche klatschte und rief: »Hü, alle meine Pferde!«
»So mußt Du nicht sprechen,« sagte der große Klaus, »das eine Pferd ist ja nur Dein!«
Aber als wieder jemand vorbeiging, vergaß der kleine Klaus, daß er es nicht sagen sollte, und da rief er: »Hü, alle meine Pferde!«
»Nun ersuche ich Dich, dies zu unterlassen,« sagte der große Klaus; »denn sagst Du es noch einmal, so schlage ich Dein Pferd vor den Kopf, daß es auf der Stelle tot ist.«
»Ich will es wahrlich nicht mehr sagen!« sagte der kleine Klaus. Aber als da Leute vorbeikamen und ihm guten Tag zunickten, wurde er sehr erfreut und dachte, es sehe doch recht gut aus, daß er fünf Pferde habe, sein Feld zu pflügen, und da klatschte er mit der Peitsche und rief: »Hü, alle meine Pferde!«
»Ich werde Deine Pferde hüen!« sagte der große Klaus, nahm einen Hammer und schlug des kleinen Klaus einziges Pferd vor den Kopf, daß es umfiel und tot
Weitere Kostenlose Bücher