Märchen unter dem Wüsenhimmel
wurde er bei einem Autounfall getötet. Ich habe ihn nie wieder gesehen.“
Dora wusste nicht, was sie dazu sagen sollte. „Manchmal habe ich das Gefühl, als hätten wir nicht mal auf demselben Planeten gelebt. Wie soll ich einen Bezug zu deinem Leben finden?“
„Das kannst du nicht. Aber du kannst zu mir eine Beziehung finden.“ Er legte einen Arm um ihre Schultern und verlangte: „Küss mich.“
„Ich kann nicht.“
„Du willst nicht. Das ist ein Unterschied. Wenn meine Kinder zu deinen Füßen spielen, wirst du dich mir dann immer noch versagen?“
Sie wandte sich ab, damit er die Panik in ihren Augen nicht sah. Großer Gott, Kinder! Es war nur eine Frage der Zeit. Khalil besuchte sie fast jede Nacht. Als Prinzessin von El Bahar konnte sie kaum in die nächste Apotheke gehen und Kondomekaufen. „Wir sollten umkehren“, drängte sie und wollte sich von ihm lösen.
Doch Khalil ließ sie nicht los. „Noch nicht.“ Er seufzte. „Warum ist es so schwer, meine Aufforderung zu befolgen? Du bist so starrsinnig, und trotzdem kann ich mir keinen einzigen Tag mehr ohne dich vorstellen. Ich habe dem König gesagt, dass ich nicht länger ohne dich reisen werde.“
Erstaunt musterte sie ihn. Seine Augen waren groß und dunkel und bargen Gefühle, die sie nie zuvor gesehen hatte. Zuneigung vielleicht? Verletzlichkeit? War es möglich, dass er sich änderte?
„Küss mich.“
Seine Worte stellten eine Bitte, keine Forderung dar. Sie berührte die Narbe auf seiner Wange, die ihr bewusst machte, dass er einen Fehler eingestanden hatte. War das seine arrogante, verdrehte Art, ihr zu zeigen, dass er auch andere Worte bereute?
Kurz entschlossen drückte sie die geschlossenen Lippen auf seine. Nicht, weil er es verlangte, sondern weil er ihr einen kleinen Teil seines Lebens anvertraut hatte. Weil er ein wenig Kompromissbereitschaft bewiesen hatte. Und vor allem, weil sie ihn küssen wollte und es ihr wehtat, sich ihm zu versagen.
Sie erwartete, dass er sie leidenschaftlich liebkoste. Doch er brach den Kuss vielmehr ab, umschmiegte ihr Gesicht und murmelte leise: „Danke.“
Sie wartete, doch es folgte keine spöttische Bemerkung, kein Anzeichen von Triumph. Er zog sie auf die Füße und half ihr in den Sattel, und sie ritten schweigend zurück zum Palast.
„Ich will nicht schmälern, was Eure Majestät bereits vollbracht haben“, sagte Dora geduldig. „Aber die Aufgabe ist noch nicht vollendet. Es gibt noch viel zu tun.“ Ihre Augen funkelten, und ihre Wangen waren gerötet.
Sie ist schön, durchfuhr es Khalil, wenn sie so engagiert ist.Wieso hatte er es bisher nicht bemerkt? Von Tag zu Tag wurde ihm bewusster, dass Dora Khan, Prinzessin von El Bahar, ein Juwel war.
„Die Universitäten stehen allen offen“, entgegnete der König. „Selbst den Frauen.“
Sie schob ihr Dessert beiseite und beugte sich eindringlich vor. „König Givon, es reicht nicht, die Universitäten den Frauen zu öffnen. Trotz all der Fortschritte unter Ihrer Regentschaft halten viele Eltern es immer noch für Verschwendung, ihre Töchter auszubilden. Sie schicken sie höchstens sechs Jahre lang zur Grundschule, und das nur, weil Ihre Regierung es gesetzlich vorschreibt. Es gibt Hunderte von klugen Frauen, deren Potential brachliegt.“
Der König hob die buschigen ergrauten Augenbrauen. „Sie heiraten und produzieren Kinder. Das ist keine Vergeudung.“
„Oh, da stimme ich zu. Wenn Sie damit sagen, dass Ihr Volk die bedeutendsten Ressourcen von El Bahar darstellt.“
Khalil durchschaute die Falle sofort, denn er kannte den flinken Verstand seiner Frau.
Der König jedoch hatte diesen Vorteil nicht. „Natürlich. Das Volk ist unsere Zukunft.“
„Wenn Sie so denken, dann verstehe ich nicht, warum Sie fast fünfzig Prozent dieser Ressourcen ignorieren und brachliegen lassen. Gebildete Frauen können immer noch heiraten und viele Kinder bekommen, aber ungebildete können wenig tun, um die Technologie zu verbessern, in Schulen zu unterrichten oder Ärzte, Anwälte und Unternehmer zu werden.“
Sie holte tief Luft und blickte den König unverwandt an. „Diese Frauen verdienen die Chance, ihre Möglichkeiten auszuschöpfen. Nicht nur um ihretwillen, sondern auch um des Staates willen. Ich bitte nur darum, dass Sie vorbereitende Schulen für weibliche Jugendliche in Erwägung ziehen, in denen sie das Nötige lernen, um Universitäten besuchen zu können.“
König Givon schaute sie finster an. „Das würde Gebäude und
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