Märchen von den Grimms und mir (German Edition)
Baum gelehnt, der Wolf und schlief tief und fest. Angstvoll betrachteten sie den Bösewicht und sahen, dass in seinem gewölbten Bauch sich etwas regte und zappelte. Anscheinend hatte er in seiner Gier die Geißlein am Stück hinuntergeschlungen.
Meine armen Kinderchen, dachte die Mutter und schickte die kleine Geiß zurück ins Haus, Schere, Nadel und Faden holen. Dann schnitt sie dem Unhold den Bauch auf und befreite alle sechs verschlungenen Kinderchen. Sie hatten keinen körperlichen Schaden erlitten, obgleich die Tatsache, gefressen zu worden zu sein, sie noch immer zu tiefst erschreckte. Doch nun war die Freude groß und alle umarmten sich und lachten und weinten zugleich.
Die Mutter sprach: "Kinder, es ist noch nicht vorbei! Holt Ziegelsteine herbei, damit wollen wir dem schändlichen Tier den Wanst füllen, solange es noch schnarchend darnieder liegt."
In aller Eile schleppten die Geißlein die Steine herbei, steckten sie in den Wolf und die Alte nähte ihm den Pelz wieder zu. Das Scheusal bemerkte nichts, und als es erwachte, erfüllte den Wolf von den trockenen Steinen in seinem Innern großer Durst. Er torkelte zum Brunnen und wunderte sich sehr, weil die Steine sich in ihm bewegten und seinen Gang zu dem eines Betrunkenen machten. "Die Happen liegen mir schwer im Magen", murmelte er und beugte sich zum Trinken über den Brunnen. Die schweren Steine zogen ihn über den Rand und in den Brunnen hinein, wo er mit einem lauten Platschen ins Wasser tauchte und jämmerlich ersoff. Mutter und Kinder beobachteten dies und liefen herbei. Laut riefen sie: "Der Wolf ist tot! Der Wolf ist tot!" Sie tanzten vor Freude lange um den Brunnen herum.
Und die Moral von der Geschicht',
vergreift euch an den Kindern nicht!
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Der alte Großvater und sein Enkel
Es war einmal ein sehr alter Mann, das ganze Leben hatte er gearbeitet, sich gekümmert, eine Familie gegründet und zu guter Letzt seine Frau verloren. Die Augen waren trüb geworden, die Ohren taub und die Knie zitterten ihm. Arbeiten konnte er nicht mehr, so saß er den langen Tag im Hause seines Sohnes, der ihn bei sich wohnen ließ, oder im Sommer vor dem Haus im Garten.
Wenn er beim Essen mit bei Tische saß und den Löffel kaum halten konnte, schüttete er Suppe auf das Tischtuch, und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund. Sein Sohn und dessen Frau ekelten sich davor, und deswegen musste sich der alte Großvater schon bald hinter den Ofen in die Ecke setzen, und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen und noch dazu nicht einmal genug; da sah er betrübt nach dem Tisch, und die Augen wurden ihm nass vor salzigen Tränen.
Einmal konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht fest genug halten, es fiel zur Erde und zerbrach. Die junge Frau schalt, er aber sagte nichts und seufzte nur. Da kauften sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Cent, daraus musste er nun fortan seine Speise zu sich nehmen. Wie sie da so saßen, er in der Ecke am Ofen und die jüngeren Leut bei Tische, so trug der kleine Enkel von vier Jahren auf dem Zimmerboden kleine Brettlein zusammen.
"Was machst du da, mein Sohn?", fragte der Vater.
"Ich mache ein Tröglein", antwortete das Kind, "daraus sollen du, Vater, und Mutter essen, wenn ihr alt seid und ich groß bin."
Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an, fingen endlich an zu weinen, holten den alten Großvater aus seiner Ecke an den Tisch und ließen ihn von nun an immer mitessen und sagten auch nichts mehr, wenn er ein wenig verschüttete.
Und die Moral von der Geschicht'
Sieh dem Alter ins Gesicht!
Die Prinzessin mit der flachen Nase
Es war einmal vor langer Zeit. Es mag vor Jahren oder Jahrhunderten gewesen sein, da lebte eine Prinzessin in einem Land, das von ihren Eltern, dem König und der Königin, regiert wurde. Der König war weise und alt, sein Haar schimmerte grau, auch sein langer Bart fiel grau vom Kinn herab. Er regierte mit Strenge sein Reich, sorgte sich aber auch um die Menschen und half mit, dass es allen gut ging. Die Königin kümmerte sich auf gleiche Weise wie ihr Gatte um das Reich und die Menschen, die darin lebten. Sie liebte ihren Mann sehr, half beim Regieren und unterstützte ihn, wo sie nur konnte. Bald schenkte sie ihm eine süße Tochter. König und Königin waren glücklich. Sie wollten kein weiteres Kind und sahen von Anfang an in ihrer Tochter die Nachfolgerin für sich selbst. Sie erzogen die kleine Prinzessin mit Güte und Liebe zur neuen Königin.
Die kleine
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