Märchen von den Grimms und mir (German Edition)
diesem Moment kam ein Jäger mit vier Hunden daher. Sie hechelten und witterten Fuchs und Katze. Die Katze sprang behende den Stamm hinauf auf einen Baum und setzte sich in den Gipfel, wo Äste und Laubwerk sie völlig verbargen. Sie wusste, dort war sie vor den Hunden sicher und spähte hinab. "Kommt ebenfalls herauf, Herr Fuchs!"
"Das kann ich nicht!", rief der Fuchs, schüttelte den Kopf und sah sich gehetzt um.
"Dann bindet Euren Sack auf und holt eine List heraus!"
Aber die Hunde hatten den Fuchs bereits gepackt und hielten ihn fest.
"Ei, Herr Fuchs", rief die Katze. "Ihr bleibt mit Euren hundert Künsten stecken. Hättet Ihr herauf klettern können wie ich, so wär es nicht um Euer Leben geschehen."
Eine Antwort vermochte der Fuchs nicht mehr zu geben.
Und die Moral von der Geschicht',
Hochmut bringt es niemals nicht.
Steht sie auch gut dir im Gesicht!
☻
Die Lebenszeit
Gott schuf den Himmel, die Erde und die ganze Welt. Als er dies getan hatte, versammelte er alle Lebewesen um sich und begann, die Lebenszeit der Kreaturen zu bestimmen. Nach vielen, vielen Tieren kam der Esel zu ihm und fragte: "Herr, wie lange soll ich leben?"
"Dreißig Jahre", antwortete Gott, "ist dir das recht?"
"Ach Herr", erwiderte der Esel, "das ist eine lange Zeit. Bedenke mein mühseliges Dasein: von morgens bis in die Nacht schwere Lasten tragen, Kornsäcke in die Mühle schleppen, damit andere das Brot essen, mit nichts als mit Schlägen und Fußtritten ermuntert und aufgefrischt zu werden! Erlass mir einen Teil der langen Zeit."
Da erbarmte sich Gott und erließ ihm achtzehn Jahre. Der Esel ging getröstet weg, und der Hund erschien. "Wie lange willst du leben?", sprach Gott zu ihm, "dem Esel sind dreißig Jahre zu viel, du aber wirst damit zufrieden sein?"
"Herr", antwortete der Hund, "ist das dein Wille? Bedenke, was ich laufen muss, das halten meine Füße so lange nicht aus, und habe ich erst die Stimme zum Bellen verloren und die Zähne zum Beißen, was bleibt mir übrig, als aus einer Ecke in die andere zu laufen und zu knurren?"
Gott sah, dass er recht hatte, und gab ihm zwölf Jahre weniger. Darauf kam der Affe. "Du willst wohl gerne dreißig Jahre leben?", sprach der Herr zu ihm, "du brauchst nicht zu arbeiten wie der Esel und der Hund, und bist immer guter Dinge."
"Ach Herr", antwortete er, "das sieht so aus, ist aber anders. Ich soll immer lustige Streiche machen, Gesichter schneiden, damit die Leute lachen, und wenn sie mir einen Apfel reichen und ich beiße hinein, so ist er sauer. Wie oft steckt die Traurigkeit hinter dem Spaß! Ich bin gefangen im Käfig, zur Belustigung der Menschen, oder ich bin in Freiheit, immer auf der Suche nach Futter. Dreißig Jahre halte ich das nicht aus."
Gott war gnädig und schenkte ihm zehn Jahre.
Endlich erschien der Mensch, freudig, gesund und frisch und bat Gott, ihm seine Zeit zu bestimmen. "Dreißig Jahre sollst du leben", sprach der Herr, "ist dir das genug?"
"Welch eine kurze Zeit!", rief der Mensch, "wenn ich mein Haus gebaut habe, wenn ich Bäume gepflanzt habe, die blühen und Früchte tragen, wenn ich Jahre gearbeitet und Kinder groß gezogen habe und ich meines Lebens froh zu werden gedenke, so soll ich sterben! Oh Herr, verlängere meine Zeit."
"Nun gut, ich will dir die achtzehn Jahre des Esels zulegen", sagte Gott.
"Das ist nicht genug", erwiderte der Mensch.
"Du sollst auch die zwölf Jahre des Hundes haben."
"Immer noch zu wenig." Der Mensch hob die Hände und sah Gott flehentlich an.
"Wohlan", sagte Gott, "ich will dir noch die zehn Jahre des Affen geben, aber mehr erhältst du nicht!"
Der Mensch ging fort, war aber nicht zufriedengestellt. Gott, schon etwas erzürnt ob der Habgier und Unbescheidenheit des Menschen, merkte dies und dachte bei sich: Warte, Menschlein, du hast dir keinen guten Dienst erwiesen.
Also lebt der Mensch siebzig Jahre. Die ersten dreißig sind seine menschlichen Jahre, die gehen schnell dahin; er ist gesund, in Saft und Kraft, heiter, arbeitet mit Lust und freut sich seines Daseins. Hierauf folgen die achtzehn Jahre des Esels, da wird ihm eine Last nach der andern aufgelegt: er muss das Korn tragen, das andere nährt, muss mehr und härter arbeiten, um für Familie und Kinder zu sorgen. SchIäge und Tritte sind der Lohn seiner treuen Dienste. Dann kommen die zwölf Jahre des Hundes, da liegt er in den Ecken, knurrt und hat keine Zähne mehr zum Beißen. Und wenn diese Zeit vorüber ist, so folgen zuletzt die zehn Jahre des Affen. Da ist der
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