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Märchen von den Hügeln

Titel: Märchen von den Hügeln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Waltraut Lewin & Miriam Magraf
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zweien seiner zahlreichen Taschen vergraben und ein wenig gebückt. »Ich habe mir Sorgen gemacht, leichtsinnige Schöne!«
    Sie schlang die Arme um ihn. »Ach, es ist gut, daß du mich suchst, mein junger, alter Hüter, daß du mich immer noch suchst.«
    »Es ist nicht gut, daß ich dich suchen muß«, brummte er liebevoll, »Aina-Aglar, Geliebte!«
    Dodo hielt es kaum noch in seinem Versteck, doch die Hand drückte ihn fast zu Boden. Er war benommen von Angst und Wut.
    »Laß uns heimgehen«, sagte Diana. »Ich bin müde vom Tag. Und . . .«, sie blickte aufmerksam in die Runde, »wir sind hier nicht allein.«
    »Das habe ich längst bemerkt«, erwiderte Alonzo, »aber es sind keine bösen Seelen. Wenn sie uns nicht stören, wollen auch wir sie in Frieden lassen. Komm!«
    Er nahm ihre Hand. Diana sah noch einmal um sich, und Dodo war der festen Überzeugung, daß sie ihn entdeckt habe, aber er wagte kein Zeichen. Dann verschwanden die zwei von der Lichtung, leichtfüßig und behende wie Tiere, die zu flüchten gewohnt sind.
    Als Diana und Alonzo so weit entfernt sein mußten, daß keine Aussicht mehr bestand, sie einholen zu können, fühlte Dodo den Druck auf seiner Schulter nachlassen. Doch die Angst wich erst von ihm, als die Hand zurückgezogen wurde. Er verharrte, noch zitternd, aber nichts regte sich. Mit einem Ruck wandte er sich um. Da stand vor ihm eine Gestalt, deren er sich mit jäher Macht erinnerte und mit ihr auch aller vorgefallener Ereignisse. Kein anderer war es als Tar-Ciryatan, der Elbenfürst, im Glanz seiner Würden, dem dunklen Umhang, der von seinen Schultern fiel, und der Krone aus Blüten und Laub, die das Haupt zierte. Das Leuchten der Sterne war in seinen Augen.
    Deutlicher denn je zuvor spürte Dodo, wie wenig er seinesgleichen war.
    »Nun?« fragte der Elb. »Verstehst du jetzt mein Gebot, Aina-Aglar zu lassen und den Weißen Hirsch auch?«
    Dodo senkte den Kopf.
    »Sie bedarf unseres Schutzes«, fuhr Tar-Ciryatan fort, »meines und des Waldhüters, der sie liebt. Verletze deshalb die Grenzen dieses Gebietes nicht wieder, denn einzig hier noch können wir Elben den Mantel des Irdischen fallen lassen. Wahre die Geheimnisse, die du sahst! Dann will ich dich für dieses Mal gehen lassen.« Der Zorn war aus seinem Antlitz gewichen, und Dodo sah zum erstenmal jene Helligkeit darin, die das Eibische ausmacht.
    »Nein, ich will nicht hierher zurückkehren«, antwortete er und fügte leise hinzu: »Euer wahres Gesicht ängstigt mich.«
    Tar-Ciryatan hatte Dodo den Weg gewiesen, bis man schon die Lichter auf den Hügeln am Fluß sehen konnte. Jetzt, da sich der Jäger dem Stromtal näherte, glaubte er einen Gesang zu hören, den der Wind mit sich trug. Die Melodie kannte er wohl.
    »Fahr hin, du Wild, in Waldes Lust,
    Ich will nit mehr erschrecken 
    Und jagen dein’ schneeweiße Brust,
    Ein andrer muß dich wecken 
    Mit Jägersg’schrei und Hundeskrei,
    Daß du kaum mögst entrinnen.
    Halt dich in Hut, mein Tierlein gut;
    Mit Leid scheid ich von hinnen.«
    Der weite, wohltönende Klang der Stimme war Dodo anfangs angenehm. Plötzlich aber begann ihn zu schaudern, und er beschleunigte seine Schritte, um die Hügel so schnell wie möglich zu erreichen.

Miriam Margraf
Diese und jene Lehren
    Dodo mußte lange an der Haustür läuten, ehe ihm geöffnet wurde. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte der Hausherr, »aber ich war im Keller mit meinen Uhren beschäftigt, da halte ich das Läuten zuweilen für einen Wecker, wenn es nicht länger als zwei Minuten anhält.«
    »Verständlich«, beteuerte Dodo mit einer leichten Verbeugung, obwohl er nichts begriff, und stellte sich vor. Dabei nahm er den jungen Mann, der ihm gegenüberstand, in Augenschein. Er war groß, schlank, vielleicht etwas zu zierlich, so schien es Dodo, aber dennoch tauglich für seine Pläne.
    »Sie sind es also, der auf meine Annonce >Suche unternehmungslustigen Gesellen für abenteuerliche Jagd< geantwortet hat?«
    »Ja, auf so eine Anzeige habe ich wohl mal geschrieben«, erwiderte Lindo, »aber treten Sie doch bitte ein!«
    Sie saßen bei Tee und Biskuits - eine Sitte, die sich aus unerfindlichen Gründen seit kurzem in den Wohngebieten diesseits des Flusses verbreitet hatte.
    »Wissen Sie«, erklärte Lindo, »ich bin Uhrmacher, das heißt, eigentlich war ich Sänger, nun ja . . ., kurz und gut, mein jetziges Leben ödet mich an. Das ewige Geticke und Getacke, es nimmt mich wunder, daß mir die Sinne noch nicht ganz verdreht

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