Märchen von den Hügeln
sind. Ich muß hier einfach mal raus!«
Dodo nickte zustimmend und bediente sich eifrig an den Biskuits. »Das verstehe ich. Obwohl meine Probleme anders liegen. Ich bin nämlich passionierter Jäger, habe leider nicht allzuviel Glück.«
Er lächelte traurig, richtete sich dann plötzlich entschlossen im Sessel auf. »Jetzt aber hoffe ich, den Fang zu machen. Allerdings bin ich der Ansicht, daß zwei wackre Männer da mehr ausrichten können als einer allein. Und vielleicht möchte es sich als notwendig erweisen, einander Hilfe zu leisten, die Sache könnte nämlich ein wenig heikel werden«, er betrachtete Lindo prüfend. »Haben Sie Familie?«
Lindo schluckte und atmete tief durch. »Tja, hm, eigentlich nicht.«
»Na, wunderbar!« schrie Dodo. »Ich auch nicht. Wir haben also beide keine Rücksichten zu nehmen und wären somit das ideale Team für die Angelegenheit.« Er streckte dem anderen seine Pranke entgegen.
Der zögerte. »Aber ich könnte mich ja vielleicht noch verheiraten, so ganz unvorhergesehen . . .«
»Ach ja?« Sichtlich enttäuscht zog Dodo die Hand zurück. »Haben Sie diesbezügliche Neigungen?«
»Nichts Genaues«, wand sich Lindo, den eigentlich nur der heikle Punkt interessierte, den Dodo erwähnt hatte.
»Also nicht?«
Lindos Neugier siegte endlich. »Nein, jedenfalls noch nicht so bald. Verraten Sie mir, was Sie zu jagen beabsichtigen?«
Dodo winkte ihn mit dem Finger dicht zu sich heran, legte die Hand hinter Lindos Ohrmuschel und flüsterte: »Es handelt sich um einen Drachen.«
Lindo konnte nichts erwidern, weil das Biskuit ihm im Hals steckenblieb und einen Hustenanfall provozierte.
Zu nächtlicher Stunde schlüpften sie unter dem Drahtzaun hindurch, der das Versuchsgelände Darennas, wie man meinen sollte, einbruchssicher umgab. Lindo zerschliß sich das Hemd an einem Drahtende und stöhnte auf.
»Pst«, zischte Dodo.
»Ich beginne in zunehmendem Maße an Ihrer Information zu zweifeln«, flüsterte der Halbelb leicht verstimmt. »Wirklich! Wie sollte denn ein Drache in Darennas Institut kommen?«
»Das ist zweifellos eine Frage«, gab Dodo zurück. »Aber da mein engster Freund Norman Klinger von einem solchen sprach . . .«
»Norman Klinger ist Ihr engster Freund?« fiel ihm Lindo ins Wort. »Gehören Sie etwa zur Szene?«
»Nun ja«, antwortete Dodo geschmeichelt, »wir lernten uns auf anderer Ebene kennen.«
Lindo runzelte die Augenbrauen. »Ich hielt ihn eigentlich für gescheiter, als daß er sich mit dergleichen Märchen abgäbe.«
Dodo machte eine beschwichtigende Handbewegung, denn man konnte ihr Gespräch inzwischen in weitem Umkreis vernehmen. »Eben«, wisperte er dann, »und deshalb muß etwas daran sein. Näheres weiß ich freilich nicht. Allein mein Freund Adalbert . . .«
»Den kennen Sie auch?« warf Lindo ein.
»Er gehört zum näheren Umgang Klingers«, erklärte Dodo beiläufig und fuhr fort: »Also Adalbert will den Drachen schon einmal im Mondschein gesehen haben. Stellen Sie sich vor: Ein Drache haust hier unter dem Berg! Darenna sitzt auf einem Pulverfaß!« Er blickte vorsichtig um sich und wurde noch leiser. »Wenn wir das Monster erlegt haben, ist der Ruhm unser. Die Zeitungen werden über uns berichten! Wir, Seite an Seite mit Darenna, dem großen Wissenschaftler und Magier . . .«
». . . und Sie halten das silberne Tablett mit dem Kopf des furchtbaren Untiers auf der Hand«, vollendete Lindo, während er sich den zerschundenen Rücken rieb. »Oder werden es sieben Köpfe sein?«
Dodo sandte ihm einen trotzigen Blick. »Wir werden ja sehen!«
Im Erdgeschoß von Darennas Wohnhaus war nur ein Fenster erleuchtet. Es war geöffnet. Heraus klang kraftvolles Klavierspiel.
»Wenn mich nicht alles täuscht, ist das ein Konzert von Rachmaninow«, stellte Lindo fest.
Magisch angezogen, schlich er an das Fenster heran, nach Elbenart schnell und so leise, daß niemand seine Schritte hörte; er spähte vorsichtig hinein. Das erste, was er wahrnahm, waren die langen, offenen Haare einer Frau, die am Flügel saß. Ihre dichte Mähne schwang im Rhythmus der Musik, während die feinnervigen Finger über die Tasten flogen.
Dodo folgte Lindo. Unter seinen Schuhsohlen knackte es, obwohl er versuchte, seinen stampfenden Gang zu mildern.
Die Pianistin hielt ein, hob den Kopf und lauschte zum Fenster hin. Dabei fingen ihre Ohren das »Sie Trampel!« auf, welches Lindo dem Gefährten zuwarf. Mit einem burschikos behenden Sprung war sie am Fenster und
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