Märchen von den Hügeln
packte Dodo beim Schopf. »Sieh mal an, wer hätte das gedacht«, sagte sie, »was ist denn das für ein Gast? Treten Sie nur näher! Ich habe gerne Gesellschaft. Der Meister ist heute ausgegangen.« Sie bedeutete Dodo, durch das Fenster einzusteigen.
Er tat, wie ihm geheißen, doch reichlich verunsichert, ja verängstigt durch die energische Aufforderung des Frauenzimmers.
»Wollen Sie sich nicht vorstellen?« fragte sie streng.
Er verbeugte sich kurz und hauchte: »Dodo.«
»Ist das alles?« Sie lachte kreischend. »Mein Name ist Iguanadonna Saurischia. Angenehm. Und wo ist Ihr Kumpan?«
»Welcher Kumpan?« Dodo stellte sich dumm.
Die schönen, schwarz umrandeten Augen der Dame nahmen einen zornigen Ausdruck an. »Sie wollen mir doch nicht erzählen, daß Sie derjenige waren, der da vorhin >Trampel< sagte! Auf Stimmen verstehe ich mich nämlich, wissen Sie . ..« Sie klopfte in unruhiger Erwartungshaltung mit einem Fuß auf den Boden.
Resigniert ließ Dodo die Schultern sinken und rief: »Na kommen Sie schon, Lindo!«
»Aha, Lindo«, wiederholte Iguanadonna und musterte den Ankömmling streng, so daß er sich augenblicklich unbehaglich fühlte.
»Irgend etwas macht Sie mir sympathisch«, bemerkte die Dame. »Ich habe nur noch nicht herausgefunden, was.«
Am Fenster erschien der hagere Kopf eines uniformierten Mannes. Ein Hund kläffte. Dodo und Lindo erschraken.
Frau Saurischia jedoch machte eine lässige Handbewegung. »Es ist schon gut, Herr Wachtmeister, die Herren sind meine Gäste.« Der Polizist grüßte und verschwand.
Die Dame lächelte. »Darennas Grundstück wird gut bewacht. Sie haben Glück, daß Sie an mich geraten sind, sonst säßen Sie jetzt hinter Schloß und Riegel.«
Die beiden schauten verlegen.
»Nehmen Sie Platz«, sagte die Saurischia ein wenig unverbindlich. »Juice, Tee, Wasser?«
»Danke, nichts!« wehrte Dodo ab. »Wir wollen niemanden stören und gleich wieder gehen.«
»Soso!« Sie lächelte ironisch.
Plötzlich wurde aller Aufmerksamkeit auf das Geräusch gelenkt, das Räder eines vorfahrenden Wagens auf dem Kies des Vorplatzes verursachten.
»Excellenza«, bemerkte Iguanadonna kurz.
»Darenna?« Die Augen Dodos waren angstgeweitet. »Um Gottes willen!«
Lindo sprang zum Fenster.
»Halt!« rief die Dame. »Noch einmal werden Sie kaum an den Posten vorbeikommen.« Ihr Blick streifte Lindo mit einiger Sympathie. »Ich werde Sie begleiten.«
Sie öffnete die Zimmertür. Die drei schlüpften hinaus und eilten durch einen breiten, violett erleuchteten Flur. Hinter sich hörten sie jemand schwerfällig eine Treppe hinaufsteigen.
Ein Seitenausgang entließ sie ins Freie.
»Glauben Sie nicht, daß sich aus dieser Aktion für mich keine Verwicklungen ergeben könnten«, zischte Iguanadonna, während sie Darennas Park durchquerten. »Excellenza ist es gewohnt, mich bei seiner Heimkehr zu Hause zu finden. Meine Abwesenheit wird ihn beunruhigen.«
»Wir wollen Ihnen wirklich keine Schwierigkeiten . . .«, hub Lindo an.
Ein Wächter vertrat ihnen den Weg, bemerkte dann aber Iguanadonna, salutierte und ließ sie passieren.
Sie kamen zu einer kleinen Pforte, die verschlossen war. Doch Iguanadonna preßte Mund und Hände daran, so, wie man es tut, wenn man Eisblumen vom Fensterglas hauchen will. Dodo glaubte einen roten Schein unter ihren Fingern zu bemerken und stieß seinen Gefährten in die Seite. Der tat, als sei nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Iguanadonna stieß die Pforte auf. Sie standen im angrenzenden Waldstück außerhalb des Versuchsgeländes Darennas.
»Bevor wir uns verabschieden ...«, sagte die Dame, »finden Sie nicht auch, daß ich ein gewisses Recht darauf habe, zu erfahren, was Sie hier suchten?«
Dodo druckste herum.
Schließlich faßte sich Lindo ein Herz. »Wir waren auf der Jagd.«
»Jagd?« Iguanadonna hob die Augenbrauen. »Darf man fragen, welch Wild Sie in Darennas Park zu erlegen gedachten?«
»Wild weniger«, warf Dodo schnell ein, »und es ist wohl auch nicht so wichtig.«
»Nicht wichtig, oho!« entgegnete die Dame leicht gereizt. »Wollen Sie mir weismachen, daß Sie um Nichtigkeiten willen einen Einbruch bei Darenna riskieren?«
»Gottbewahre!« setzte sich Dodo zur Wehr. »Es täte mir leid, Sie zu verärgern . . .« Er zappelte wie eine Fliege im Netz der Spinne.
Obwohl es dunkel war, fühlte Lindo Iguanadonnas Blick auf sich lasten. Aber er fand keine Worte.
»Wissen Sie, es ist einfach nichts für das zarte Gemüt einer
Weitere Kostenlose Bücher