Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
Kopf mir ab,
Des Vaters Magen ward mein Grab;
da hielt der Knappe inne mit Hauen, und sah nach dem Vogel; und als dieser weiter sang:
Marlenechen, mein Schwesterlein,
Legt' in ein Tüchlein mein Gebein,
da hörten noch zwei Knappen auf. Und als der Vogel fortfuhr:
Und grub es auf des Hofes Raum,
da hielten wieder vier Knappen inne, –
Wohl unter dem Maßholderbaum;
da die übrigen acht, so daß der Müller nur noch allein zurück blieb; und als er die letzten Worte hörte:
Tireli, tireli, seht mich,
Was für ein schöner Vogel bin ich!
so hörte er gleichfalls auf mit Behauen, und rief den Baum hinauf: »Goldvögelchen, sing' uns dein schönes Lied noch ein Mal!«
»Ja,« antwortete der Vogel, »wenn du mir den Mühlstein giebst, der vor dir liegt.« – »Du sollst ihn haben,« sprach der Müller; »komm nur, und hol' ihn dir!«
Da kam der Vogel herunter geflogen; der Müller aber mit seinen Knappen setzten Hebebäume unter, und hoben den Stein mit großer Mühe von der Erde. Da steckte der Vogel seinen Hals durch das Loch in der Mitte, und hing ihn um sich, wie einen Halskragen. Damit flog er wieder auf den Baum, so leicht, als ob es eine Feder wäre, und sang:
Meine Mutter schlug den Kopf mir ab,
Des Vaters Magen ward mein Grab;
Marlenechen, mein Schwesterlein,
Legt' in ein Tüchlein mein Gebein,
Und grub es auf des Hofes Raum,
Wohl unter dem Maßholderbaum;
Tireli, tireli, seht mich,
Was für ein schöner Vogel bin ich!
Als er das Lied zu Ende gesungen hatte, breitete er die Flügel aus, und flog davon, die goldene Kette in der rechten Klaue, die Schuhe in der linken, und den Mühlstein um den Hals. So nahm er seinen Flug zurück in die Stadt, und setzte sich auf den Maßholderbaum auf dem Hofe seiner Aeltern.
Die saßen um den Tisch in der Stube, und der Vater sagte: »Mir ist so leicht und so froh zu Muthe, als wenn ich ein großes Glück zu erwarten hätte.« – »Nein, nein!« antwortete die Mutter, »mir ist so angst, als wenn ein schweres Gewitter am Himmel stände!« – Marlenchen aber weinte, und ließ das Tuch nicht von den Augen, so daß es so naß wurde, als wenn es im Wasser gelegen hätte.
Mittlerweile hob der Vogel sein altes Lied an; und als er die Worte sang:
Meine Mutter schlug den Kopf mir ab,
da hielt sich die Mutter die Ohren zu, und kniff dicht die Augen zusammen, damit sie nichts hörte und sähe. Aber es brauste ihr in den Ohren, wie der stärkste Sturmwind, und die Augen brannten und zuckten ihr, wie der Blitz.
Der Vogel sang weiter:
Des Vaters Magen ward mein Grab;
Da sprach der Vater: »Hörst du, Mutter, wie schön da draußen der Vogel singt! Der Tag schimmert wie lauter Gold, und die Luft ist ganz vom Wohlgeruche, wie von Weihrauch und Zimmt, durchzogen.«
Marlenechen, mein Schwesterlein,
Legt' in ein Tüchlein mein Gebein;
so sang es draußen weiter. Da legte Marlenchen den Kopf auf ihre Knie und weinte laut auf in einem fort. Der Vater aber sagte: »Ich muß hinaus, und den Vogel in der Nähe sehen!« – »Nein, gehe nicht, um Gottes willen gehe nicht!« erwiederte die Frau; »die Luft ist voller Schwefeldampf, mir ahnt nichts Gutes, mir ist, als bebte das Haus, und ständ' in lauter Flammen.« Aber der Mann ließ sich nicht abhalten, sondern ging vor die Thüre, und stellte sich dicht vor den Maßholderbaum, als eben der Vogel sein Liedchen weiter sang:
Und grub es auf des Hofes Raum,
Wohl unter dem Maßholderbaum;
Tireli, tireli, seht mich,
Was für ein schöner Vogel bin ich!
Und damit ließ er die goldene Kette von dem Baume fallen, so daß sie sich dem Manne gerade um den Hals legte. Da ging er voller Freude zurück in das Haus, und rief: »Kommt heraus geschwind, und seht, was da für ein schöner Vogel auf dem Maßholderbaum sitzt. Diese goldene Kette hat er mir geschenkt.«
Aber die Frau zitterte und bebte, und fiel lang nieder auf den Boden, und riß sich das Brusttuch auf, als wenn sie das Fieber rüttelte und schüttelte. Da sang es wieder:
Meine Mutter schlug den Kopf mir ab,
Des Vaters Magen ward mein Grab,
Marlenechen, mein Schwesterlein,
Legt' in ein Tüchlein mein Gebein;
Da lief Marlenchen hinaus, und trat unter den Baum, wo der schöne Vogel saß. Der aber sang weiter:
Und grub es
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