Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
befürchtete, es könnte ihm abermals begegnen, so griff er rasch nach dem Kleinen, und packte ihn mit der Hand; doch in der Hast warf er die Kanne um, und verschüttete all das Bier, so daß er es nicht versuchen und nicht sagen konnte, von welcher Art es gewesen sey. Er schwur dem Kleinen zu, daß er ihm kein Leid zufügen wolle, wenn er ihm zeigte, wo sein Geld wäre.
Thomas sah dabei so bös' und blutdürstig aus, daß das Zwerglein sich gewaltig fürchtete. »Kommt mit mir,« sprach er, »über ein Paar Felder, so will ich Euch einen ganzen Topf voll Gold zeigen.«
Sie gingen fort, und Thomas hielt den Kleinen fest, und wendete die Augen nicht von ihm weg. Sie mußten über Zaun und Graben, denn der Zwerg schien, aus bloßer Schadenfreude, den härtesten und beschwerlichsten Weg auszusuchen, bis sie endlich an sein Feld kamen, das ganz mit Hagebuchen angefüllt war. Hier ging der Kleine auf einen dicken Stamm zu, und sprach: »Grabt nur unter diesem Hagebuchenbaum, Ihr werdet einen ganzen Topf voll Goldstücke finden.«
Thomas hatte in der Hast nicht daran gedacht, einen Spaten mitzunehmen; er wollte nach Hause laufen, und einen holen, und um die Stelle desto besser wieder zu finden, nahm er eins von seinen rothen Strumpfbändern, und knüpfte es um den Hagebuchenbaum.
»Ich denke, Ihr bedürft mein nicht weiter,« sagte das Zwerglein mit Höflichkeit.
»Nein,« antwortete Thomas, »Ihr könnt Eurer Wege gehen, wenn's Euch beliebt. Gott geleite Euch, und gutes Glück folge Euern Schritten.«
»Laßt's Euch wohl ergehen, Thomas!« sagte der Kleine, »und möge Euch Alles zum Glück ausschlagen.«
Thomas rannte, wie besessen, nach Hause, und holte einen Spaten, und lief eben so schnell, was er nur konnte, wieder nach dem Felde zurück. Aber wie er ankam, da war kein Hagebuchenbaum auf dem Felde, um den er nicht ein rothes Strumpfband gefunden hätte, dem seinigen völlig ähnlich. Wo sollte er nun den Schatz auffinden? Das ganze Feld umzugraben, war unmöglich, denn es enthielt mehr, als vierzig Acker Land.
Thomas war also angeführt; er nahm seinen Spaten auf die Schulter, und ging finsterer und kühler, als er gekommen war, wieder nach Hause, und verwünschte den Zwerg, so oft er an den saubern Streich dachte, den er ihm gespielt hatte.
11. Der Wunderstein.
Vor alten Zeiten lebte einmal ein Mann, der verkaufte seinen Acker, und kaufte dafür drei Stücke sehr feines Tuch, um damit Handel zu treiben, und reiste in ein anderes Land.
Auf dem Wege sah er einen Haufen Kinder, die hatten eine Maus an einer Schnur und warfen sie in's Wasser, und zogen sie wieder heraus. Da bat er die Kinder, barmherzig zu seyn, und die Maus laufen zu lassen; die aber sagten trotzig: »Was geht das dich an? wir lassen sie nicht!« Da gab er ihnen ein Stück des Tuches, und die Maus wurde befreit.
Bald darauf fand er einen Haufen anderer Kinder, die hatten einen jungen Affen gefangen, den schlugen sie ganz unbarmherzig, und schrieen dabei immer: »Spring! spring ordentlich! spring besser!« Aber der junge Affe konnte es noch nicht, und machte jammervolle Gebehrden.
Der Mann sah dies mitleidig an, und bat die Kinder, den Affen doch gehen zu lassen, sie aber wollten nicht. Da gab er ihnen das zweite Stück Tuch, und sie ließen ihn los.
Weiter hin traf er einen Haufen Knaben an, die einen jungen Bären hatten, auf welchem sie ritten und ihn prügelten. Der Mann erbarmte sich des Bären, und um ihm die Freiheit zu verschaffen, gab er sein letztes Tuch hin.
Nun hatte der Mann nichts zu handeln, und nichts zu zehren, und dachte: »Was soll ich nun anfangen?«
Als er so denkend weiter ging, fand er auf einer Schilfwiese ein großes Stück seidenes Zeug, mit Goldblumen durchwirkt, das war sehr kostbar. »Ach,« sprach er zu sich selbst, »nun ist dir auf ein Mal geholfen! Um der Barmherzigkeit willen, die du geübt hast, hat der Himmel das Tuch dir siebenfältig ersetzt.«
Kaum war er aber einige hundert Schritte gegangen, da kamen Leute des Weges, die sahen das Zeug, und fragten: »Woher hast du das kostbare Seidenzeug? Das Zeug ist mit andern Stücken aus der Schatzkammer des Königs gestohlen. Nun haben wir endlich den Dieb gefunden; aber wo hast du die andern Sachen?« –
Sie führten ihn vor den König, welcher ihn sehr zornig anredete, und also sprach: »Weil du so Unziemliches und Strafbares begangen, so lege man dich
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