Märchenkranz für Kinder - Märchen der Welt ; 67
Gefängniß werfen; den Jüngsten dagegen erhob er zu hohen Ehren, und gewann ihn sehr lieb, und hielt ihn wie seinen eigenen Sohn.
24. Das gutmüthige Mäuschen.
◉ Das Gutmüthige Mæuschen.
Es war einmal ein König und eine Königinn, die waren gar herzensgut, und bemühten sich auf alle Weise, ihre Unterthanen recht glücklich zu machen, daher ihr Land auch allenthalben das glückliche Land hieß.
In ihrer Nachbarschaft aber regierte ein abscheulicher König, der an nichts Gefallen hatte, denn an Mord und Blutvergießen, und Elend und Greuel wohnten in seinem Reiche.
Dieser fiel nun mit seinem wilden Kriegsheer in das glückliche Land ein, obwohl ihm der gute König nie etwas zu Leide gethan hatte, und verbreitete überall Angst und Schrecken: denn wohin er kam, verheerte er Alles, und wüthete mit der größten Grausamkeit. Der gute König war ihm zwar mit seiner Armee entgegen gezogen, aber er hatte zu wenig Kriegsvolk, und verlor die Schlacht, und in derselben zugleich auch sein Leben.
Als die gute Königinn dies hörte, erschrak sie so sehr, daß sie krank wurde, und sich in's Bette legen mußte.
Bald aber kam der Wüthrich mit seinen Soldaten in der Stadt an, wo die Königinn krank danieder lag, ging zu ihr auf's Schloß, und befahl ihr, sie solle sogleich aufstehen und ihm folgen. Da sie hierüber aber so in Angst gerieth, daß sie kein Glied bewegen konnte, riß er sie bei ihren schönen langen Haaren aus dem Bette, ließ sie hinter sich auf sein großes schwarzes Pferd setzen, und trabte davon. Gewiß würde er die Unglückliche haben aufhängen lassen, wenn er nicht gehört hätte, daß sie bald ein Kind zur Welt bringen würde, das wunderschön seyn sollte. Er beschloß daher, wenn es ein Prinz wäre, ihn mit der Mutter erwürgen zu lassen, wäre es aber ein Mädchen, so solle es seinen einäugigen Sohn heirathen, der zwar noch klein, aber doch schon an Gestalt und Herzen ein wahres Ungeheuer war.
Die Königinn wurde nun in einem festen Thurm in einer elenden Kammer eingesperrt, wo sie des Nachts auf einem schlechten Strohlager liegen, den ganzen Tag aber spinnen mußte, und nichts zu essen bekam, als ein Paar Händchen voll Erbsen, die in bloßem Wasser geweicht waren, und ein kleines Stücklein Brot.
Voll Ungeduld zu wissen, ob ein Knabe oder ein Mädchen zur Welt kommen würde, bat der böse König eine Fee zu Gaste, und ging mit ihr in den Thurm der kranken Königinn, um sich von ihr darüber Gewißheit geben zu lassen. Die Fee jammerte es, als sie die bleiche, kranke und schöne Frau auf ihrem Strohlager so sanft und geduldig liegen sah, und sprach ihr heimlich Trost und Muth zu; dem Könige aber sagte sie, er werde dieselbe eine schöne Tochter bekommen.
»Das rettet ihr das Leben!« sagte der Tyrann. »Trifft jedoch die Wahrsagung nicht ein, und ist das Mädchen nicht schön, so laß ich sie an einen Baum hängen, und an ihrem Halse ihr Kind.«
»O wie unglücklich bin ich!« jammerte die Königinn. »Ist das Kind nicht schön, so werden wir beide umkommen, und ist es schön, so muß es den abscheulichen Prinzen heirathen, und zeitlebens unglücklich seyn. Ach, was soll ich anfangen, und wie soll ich mein Kind retten, wenn es geboren ist?«
Eines Tages saß die arme Königinn auch in Thränen an ihrem Rocken, wehklagend und jammernd, als ein niedliches Mäuschen daher geschlüpft kam, und nach Brosamen suchte. »Du liebes, kleines, hungriges Ding,« sagte die Königinn sehr traurig, »hier suchst du vergebens, wo ich selbst fast verhungern muß; suche du da, wo du etwas finden kannst.« Die Maus aber hüpfte ganz lustig hin und her, machte Männchen, und that gar nicht scheu.
»Da!« sagte die Königinn, »noch hab' ich zwei Erbsen, die will ich dir geben, obwohl ich sie selbst gern äße!« und damit warf sie ihm die Erbsen hin, welche das Mäuschen verzehrte. Als aber die Königinn wieder auf ihren Tisch sah, stand auf demselben ein gebratenes Rebhuhn, und feines Weißbrot lag daneben.
»Ei,« sagte die Königinn, »das ist gewiß von der mitleidigen Fee, die mich in meinem Kerker mit dem Tyrannen besucht und getröstet hat.« Sie griff sogleich danach, und es schmeckte ihr ganz vortrefflich. Als sie sich aber halb gesättigt hatte, dachte sie wieder an ihr Kind, das in wenigen Tagen zur Welt kommen sollte, und da fing sie an, bitterlich zu weinen, und ließ das Essen stehen. »Ach,« seufzte sie
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