Maerchenmond - Das Buch zum Musical
ihm auch nur weiter vor – nun, wo er die schwere Rüstung trug, die noch dazu mit jedem Schritt schwerer zu werden schien. Oder es lag daran, dass der Ausgang aus dem unterirdischen Labyrinth deutlich größer war als der Eingang auf der anderen Seite: Kein schmaler Spalt tat sich da vor ihm auf, sondern ein gewaltiger steinerner Torbogen, von goldfarbenem Sonnenlicht erfüllt.
Mit einem letzten, entschlossenen Schritt trat Kim ins Freie und musste ein paarmal blinzeln, bis sich seine Augen nach der langen Dunkelheit wieder an das helle Sonnenlicht gewöhnt hatten. Undwas er dann sah, das verschlug ihm den Atem.
Zum allerersten Mal seit einer Million Jahren – wie es ihm vorkam – sah er wieder Farben: das Blau des Himmels, das saftige Grün von Gras, das Braun und Orange und Grün von Wäldern und das funkelnde Silber kristallklarer Bäche, die sich mit einem Geräusch wie von einer gläsernen Harfe durch die Ebene schlängelten, die sich unter ihm ausbreitete. Überall blühten bunte Blumen und noch buntere Schmetterlinge tanzten von einer Blüte zur nächsten. Die Luft roch gut und war vom fröhlichen Zwitschern der Vögel erfüllt. Nach seiner albtraumhaften Wanderung durch eine tote Welt kam ihm dieses Land so unglaublich lebendig vor, dass es ihm buchstäblich den Atem nahm. Schon nach wenigen Augenblicken war Kim fast froh über das schwarze Visier vor seinem Gesicht, denn die Sonne hatte genug Kraft, um ihm rasch einen hübschen Sonnenbrand einzubringen.
Märchenmond , dachte er, von einer Mischung aus tiefer Erleichterung und einem wohligen Schaudern erfüllt. Er hatte es endlich geschafft und war am Ziel seiner Reise angekommen. Jetzt musste er nur noch Themistokles finden.
Ach ja, und dem schwarzen Reiter entkommen, der in diesem Moment auf nackten Füßen hinter ihm aus dem Berg getappt kam.
Ganz schwarz war er eigentlich nicht mehr. Um genau zu sein, trug er beinahe nichts, abgesehen von einer (nicht mehr ganz sauberen) Unterhose und einem Ausdruck von ziemlich großem Zorn auf dem blassen Gesicht. Er hätte sogar komisch ausgesehen, hätten seine Augen nicht in schierer Mordlust gefunkelt, während er mit dem gewaltigen Schwert herumfuchtelte. Mit genau dem Schwert, das Kim leichtsinnigerweise zurückgelassen hatte. Vielleicht hätte er doch nicht auf Rebekka hören sollen …
»Du!«, grollte der Reiter hasserfüllt.
So viel zu seiner Hoffnung, dass die schwarzen Reiter den Weg nach Märchenmond nicht fänden. »Ähm … ja, stimmt«, murmelte Kim – und raste Haken schlagend los.
Unverzüglich setzte der (nicht mehr wirklich) schwarze Reiter zur Verfolgung an, und das mit erschreckender Schnelligkeit. Wahrscheinlich hätte er Kim binnen kürzester Zeit eingeholt, wäre er mit seinen nackten Füßen nicht immer wieder auf einen spitzen Stein oder irgendetwas anderes Hartes getreten, das sich im hohen Gras verbarg – was jedes Mal einen schrillen Schrei und einen fast komisch aussehenden Hüpfer auslöste, und Kim wieder ein bisschen mehr Vorsprung einbrachte.
Dennoch war seine Lage alles andere als rosig. Noch konnte er seinen Vorsprung halten, aber er begann das enorme Gewicht der schwarzen Rüstung bereits zu spüren, und seine Kräfte schwanden merklich. Allerhöchstens noch ein paar Minuten, und sein Verfolger hätte ihn eingeholt! Er brauchte ein Versteck!
Wie auf ein Stichwort hin erblickte er einen weiteren Höhleneingang, kaum ein Dutzend Schritte entfernt. Vorsichtshalber dachte Kim erst gar nicht darüber nach, was in der Dunkelheit dahinter lauern mochte, und stürmte hinein. Vielleicht hätte er besser doch kurz überlegt, denn er war noch nicht einmal drei Schritte weit gekommen, da prallte er schon gegen ein weiches, aber dennochunnachgiebiges Hindernis, und das mit solcher Wucht, dass er zurückstolperte und unsanft auf dem eisernen Hosenboden landete.
Das Erste, was er sah, als sich das bunte Lichtgewitter vor seinen Augen wieder verzog, war sein – auf einmal nicht mehr ganz so – mies gelaunter Verfolger. Er hatte unter dem Höhleneingang Halt gemacht und fuchtelte erneut wild mit dem Schwert herum. Auf seinem Gesicht lag jetzt ein hämisches Grinsen.
»Tja, da sitzt du wohl in der Falle, du Knirps«, sagte er. »Kommst du freiwillig raus, oder gönnst du mir den Spaß, dich zu holen?«
Kim wollte eigentlich weder das eine noch das andere, aber er kam auch gar nicht dazu, zu antworten, denn plötzlich erhob sich ein ohrenbetäubendes Gebrüll, und nun fiel ihm
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