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Märchenmord

Märchenmord

Titel: Märchenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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das Mädchen, das dort oben liegt. Dort, wo da s Feuer tobt . »Une jeune fille«, schrie Gina Noah an .
    Er wandte den Blick nicht von ihr. Er spürte, dass sie etwas Wichtiges zu sagen hatte. Er versuchte zu verstehen, wovon sie sprach und wollte sie beruhigen, indem er den Arm um ihre Schultern legte. Er roch nach Schuhputzmittel. Und dann geschah das Wunder. Das Mirakel, wie die Franzosen sagen. Aus den Tiefen ihres Gedächtnisses kamen plötzlich die französischen Worte automatisch über ihre Lippen. »Dort oben liegt ein Mädchen. Mitten im Feuer. Sie ist …«, flüsterte sie, »tot.« Sie sah den Schock in Noahs Gesicht aufblitzen. »Mord!«, flüsterte sie schließlich auf Deutsch und das Entsetzen kam zurück. »Mord. Jeune fille . Mädchen.« »Morte?« »Oui, morte.«
    Von einem Moment zum anderen rannte Noah los. Gina hatte Mühe, ihm zu folgen. Und er hatte keinerlei Skrupel, einen der Feuerwehrmänner am Ärmel zu packen und auf ihn einzureden. Doch dieser hörte ihm ganz offensichtlich nicht zu, sondern schob Noah ungeduldig zur Seite. Verzweifelt schaute sich dieser um. Schließlich ging er zielstrebig auf einen blonden Mann zu. Sie sprachen miteinander. Von der gegenüberliegenden Straßenseite beobachtete Gina, wie der Mann Noah aufmerksam zuhörte. Ab und zu warf er einen Blick in ihre Richtung und schließlich kamen beide herüber. Noahs Lächeln war beruhigend, als er Gina den Mann vorstellte. » Commissaire Maurice Ravel.«
    O. k., einen Kommissar hatte Gina sich immer anders vorgestellt. Dieser hier trug keine Uniform, sondern dreiviertellange Jeans, ein weißes Kurzarmhemd und Sandalen. Vielleicht war er von einer Grillfeier gerufen worden. Als er direkt vor ihr stand, sah Gina, dass sich Aschestaub in seinen blonden Haaren festgesetzt hatte. Er sah aus, als sei er plötzlich, über Nacht, grau geworden. »Du hast etwas gesehen?«, fragte er.
    » Oui .Dawar…«
    Gerade als sie den Mund zu einer Antwort öffnete, war ein lauter Knall zu hören. Dann noch einer. Das Feuer brachte im vierten Stock ein Fenster nach dem anderen zum Bersten. Sie sprangen aus dem Rahmen. Gina spürte Glassplitter in ihrem Gesicht. Dann schwankte plötzlich der Boden unter ihren Füßen und sie schwebte in der Luft. War das die Rettung? War nun der Albtraum zu Ende? Das Letzte, was sie wahrnahm, war ein Gesicht, das in der Menge stand. Es gehörte zu einem Mädchen, das ein Skateboard unter dem Arm trug und einen Walkman Modell 19. Jahrhundert in der Hand hielt. Das Entsetzen stand ihr im Gesicht geschrieben. Und ihre Haare waren so feuerrot, dass Gina, während sie fiel, glaubte, sie würden in Flammen stehen.
    •

Sieben
    G ina drehte einen Film mit Steven Spielberg: Aladin und die Wunderlampe. Am Set war die Hölle los. Überall rannten Schauspieler herum. Johnny Depp schrie Antonio Banderas an und ihr war fürchterlich heiß. Sie hielt den Arm vors Gesicht. Hohe Flammen schlossen sie ein und über den Dächern schwebten große Rauchschwaden wie fliegende Teppiche. Es donnerte und blitzte und die Erde bebte. Vor Aladin tat sich ein Spalt auf und… »Gina!« Wer störte die Dreharbeiten?
    »Gina?«
    Gina öffnete die Augen. Die Umgebung lag in rotes Licht getaucht. Tatsächlich – Menschen rannten hin und her und schrien laut, aber weder Johnny Depp noch Banderas waren zu sehen. Wo war sie? Warum war sie hier? Ja, wer war sie überhaupt? Sie stellte fest, dass sie in einem Rollstuhl saß. Hatte sie einen Unfall gehabt? War sie gelähmt? Konnte sie ihre Beine überhaupt noch bewegen? Vorsichtig bewegte sie die Füße. Sie funktionierten noch. Immerhin spürte sie, dass ihre große Zehe wie immer geübt den Weg durch das Loch in der Strumpfhose fand. In ihrem Hals kratzte etwas. Ein bitterer Geschmack hing in ihrem Mund. Sie musste husten und konnte nicht mehr aufhören. »Möchtest du etwas trinken?« Sie blickte nach oben und sah den jungen Johnny Depp neben sich stehen, der die Rolle eines marokkanischen Schuhputzjungen spielte. Es war also doch alles nur ein Film. Er hielt ihr eine Wasserflasche entgegen.
    »Merci.« »De rien.«
    Sie hob die Flasche an ihren Mund und konnte gar nicht mehr aufhören zu trinken. Anschließend brannte noch immer der Rauch in ihrem Hals und wieder wurde sie von einem Hustenanfall geschüttelt. »Was ist passiert?«, krächzte sie. Es klang fast so, als hätte sie einen arabischen Akzent. »Du hast die Augen verdreht«, Noahs Augen rutschten nach oben, »… und dann Peng!« Er

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