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Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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Gegen Mitternacht fühlte sich Aleytys schwindlig unter diesem Druck, der von allen Richtungen auf sie einstürmte. Sie war versucht, auf einen Tisch zu springen und sie einander vorzustellen, bevor sie in einem Schreikrampf zusammenbrach.
    Als sich die Uhrzeiger im oberen Teil des Ziffernblatts trafen, umrundete sie dankbar das Ende der Theke und ging durch die Tür; sie verbarg ein Gähnen hinter einer Hand. Sie nickte Erd, dem Blitz, zu, und ging in die Garderobe, einer engen Kammer mit einem Vorhang, der vor der Tür hing. Mit einem müden Seufzer schob sie einen Daumen über die Verschlüsse und trat aus dem hauchdünnen Kostüm heraus. Als sie einen Kleiderbügel unter die Schulterträger schob, fühlte sie einen Blick auf sich ruhen. Sie fuhr herum. Dryknolte stand vor dem Vorhang und beobachtete sie über die Oberkante hinweg. Sie riß das Kostüm hoch, hielt es vor sich, funkelte ihn an. „Zur Hölle – verschwinde!“
    Er stand da und sah sie eine volle weitere Minute lang an, drehte sich dann um und ging.
    „Mein Gott.“ Sie fummelte den Kleiderbügel an den Haken und streifte hastig die abgetragene graue Bluse über den Kopf. „Die Welt ist voller Verrückter.“ Sie setzte sich und zog ihre Hose an, dann ihre Stiefel. „Alle gehen auf mich los, verdammt. Wie, zum Teufel, komm ich bloß aus diesem Schlamassel heraus?“
    Ohne Dryknolte zu beachten, eilte sie durch den vollbesetzten Raum und trat in die kühle Nacht hinaus. Der Himmel bewölkte sich, Regen drohte, die Luft war dick und feucht. Die Sternenstraße war noch von Zechern erfüllt; ihre Rufe dröhnten hohl in der Spannung, die dem drohenden Sturm vorausging. Sie wandte sich nach links, wollte schräg über den Aufgang zu Tintins Haus hinauf abkürzen.
    Ein großer, schlanker Schatten trat aus der Dunkelheit und kam neben ihr zum Stehen. Eine Hand fiel auf ihren Arm. Sie fühlte eine böse Ausstrahlung und schaute in ein sanftes, blasses Gesicht mit großen, verträumten Augen. „Wer bist du?“
    „Lovax.“
    „Ich habe den Namen gehört.“
    „Glaub nicht alles, was du hörst. Wir sollten uns unterhalten.“
    „Das glaube ich nicht.“
    Die RMoahl verließen Dryknoltes Schänke, um ihr zu folgen, drei hoch aufragende schwarze Schatten wie von riesigen Teufeln. Sie konnte einen Schauer des Entsetzens durch Lovax rieseln fühlen. Er blickte zurück.
    „Was sind das für Kerle?“
    „RMoahl-Spürhunde. Sie meinen, ich gehöre zu ihnen. Ich habe noch mehr Begleiter. Schau.“
    Der kleine Spion von der Gesellschaft hatte die Straße überquert, stand da und beobachtete sie, während sie mit Lovax sprach.
    Lovax nickte. „Ich weiß Bescheid über ihn. Sie möchten dich oben haben. Ich könnte dich beschützen.“
    „Hah! Ich bin kein so großer Dummkopf, Lovax. Du könntest nicht einmal einen Misthaufen vor Chu Manhanu schützen.“ Seine Finger krallten sich um ihren Arm, bis sie vor Schmerz knurrte. „Gehen wir, Misthaufen.“ Seine Stimme war leise und ausdruckslos. Er nahm seine Hand weg, und sie fühlte den Stich einer Messerspitze an ihrer Seite. „Sonst schlitze ich dir deine talentierte Kehle auf der Stelle auf und versuche mein Glück.“
    Aleytys fröstelte. Swardhelds schwarze Augen öffneten sich, aber er machte keine Anstalten, ihren Körper zu übernehmen. „Geh mit ihm“, grollte er. „Geh von den Zuschauern weg. Dann kümmern wir uns um ihn.“ Sie erlaubte sich, noch stärker zu zittern und ließ sich von Lovax in die enge Gasse führen, die hinter Dryknoltes Schänke verlief.
    Er zerrte sie in einem an schnelles Laufen grenzenden Tempo mit sich, tauchte in die stinkenden, dunklen Gassen zwischen den klotzigen Gebäuden ein, die sich dicht gegen die Außenmauer kauerten, um schließlich in einen Eingang hinein und teppichbedeckte Treppenstufen hochzuflitzen, bis sie in einem widerlichen, pechschwarzen Korridor im dritten Stockwerk des anonymen Bauwerks standen. Er stieß einen Schlüssel ins Schloß, drückte die Tür auf und schob sich schnell durch den breiter werdenden Spalt; Aleytys zerrte er mit sich.
    Unbekümmert, jetzt da er sie in der Sicherheit seiner Behausung wußte, ließ er ihren Arm los und zeigte auf ein niedriges Sofa.
    Aleytys schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir leid, Lovax. Tatsache ist, daß du noch schlimmer bist als Bran gesagt hat. Ich weiß das. PSI-Freak, Lovax. Empathin. Ich kenne dich jetzt.“ Sie schüttelte den Kopf und sprach ruhig, ohne sich die Mühe zu machen, zu flüstern.

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