Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
Vom Netzwerk:
betete, daß sie nicht zu spät gekommen war.
    Der schwache Funken wurde heller und flammte ganz plötzlich auf. Der Mann – wer immer er auch war – hatte einen ungeheueren Lebenswillen. Eigentlich hätte er längst tot sein müssen, hätte durch den Schock der schrecklichen Wunden gestorben sein müssen, aber …
    Der Strom verebbte zu einem Sickern, das Wasser regte die Blutzellen zu wildem Wachstum an, um den beinahe vollkommenen Blutverlust zu ersetzen. Und spülte mit einem letzten Schwappen der Anstrengung durch ihren Körper, um die Gifte der Erschöpfung hinauszuwaschen.
    Der Mann öffnete seine Augen. „Wa …“
    „Du bist jetzt wieder in Ordnung.“
    Er setzte sich auf, sah seine zerrissene Kleidung, ihre blutigen Hände, zog die verschwindenden Male seiner Wunden nach. „Eine Frau mit vielen Talenten“, begann er.
    „Psst.“ Sie hörte Schritte auf der Treppe, und ein verdrossenes Murmeln. „Schnell. Auf die Füße.“ Sie runzelte die Stirn, als sie verspätet bemerkte, wer er war. „Was machst du … Ach, egal. Keine Zeit … Ich will nicht, daß Tintin uns hier findet. Er ist schon ärgerlich genug auf mich.“ Sie sprang auf die Füße, die Knie gaben nach, aber sie fing sich, lief dann auf Zehenspitzen zu ihrem Zimmer, drückte den Schlüssel ins Schloß und stieß die Tür auf. „Hier hinein.“
    Grey glitt an ihr vorbei in den Raum hinein. Aleytys ließ die Tür zuschnappen, legte den Schlüssel auf die Frisierkommode, zog Jacke und Stiefel aus, ohne sich um den erstaunten Ausruf des Mannes zu kümmern, strampelte die Hose herunter und schob die Arme in einen hauchdünnen, von einem Haken neben der Tür geschnappten Morgenmantel. Sie fegte zu einer Truhe, in die mehrere Schubladen eingelassen waren, angelte sich ein sauberes Handtuch heraus und einen Span Seife, eilte dann zur Tür zurück. Die Hand auf der Klinke, drehte sie sich um. „Paß auf – ich gehe jetzt mein Bad nehmen. Der alte Tintin ist unterwegs nach oben, um sich über etwas zu beschweren. Ich werde ihn auf dem Flur treffen. Halt du einfach deinen Mund geschlossen und mach die Tür niemandem außer mir auf.“
    „Gehst du nicht ein gefährliches Risiko ein? Was weißt du über mich?“
    „Du hast gesagt, du bist neugierig. Nun, ich habe meinen Anteil Neugier, einen großen Anteil. Außerdem bin ich Empathin. Du kannst mich nicht anlügen.“
    „Überraschung, Überraschung. Hier.“ Er warf ihr den Schlüssel zu. „Nimm den besser mit. Dann brauche ich nicht zu raten, wer an der Tür ist.“
    „Ja. Richtig. Danke.“ Sie ließ den Schlüssel in ihre Tasche fallen und ging hinaus.
    Tintin kam prustend den Flur entlang; unmittelbar vor dem riesigen, bizarren Blutfleck traf er Aleytys. „Sag deinen Insektenfreunden, sie sollen von meinem Haus wegbleiben, Frau. Ich will sie hier nicht haben. Mag sie nicht, hab sie noch nie gemocht.“
    „Rede mit Dryknolte. Ich habe sie nicht eingeladen.“
    Seine trüben Augen verengten sich vor Wut. „Ich kann auf dich verzichten. Genug andere Häuser, in denen du unterkommen kannst.“
    „Mir gefällt’s hier.“
    „Ein Ärgernis, das ist alles, was du bist.“ Aber er wagte doch nicht ganz, sie aus dem Haus zu weisen, solange Bran und Dryknolte für sie bürgten. „Du hältst sie aus diesem Haus draußen, hast du mich verstanden?“
    Aleytys zuckte mit den Schultern. „Ich bin müde, und ich will mein Bad nehmen. Bist du fertig?“
    „Frauen. Immer Ärger.“ Die gebeugte kleine Gestalt schlurfte zur Treppe davon und brummelte Klagen vor sich hin.
    Mit einem müden Lachen ging Aleytys weiter, zum Badezimmer, das dem Treppenaufgang gegenüberlag.

 
7
     
    Der östliche Horizont zeigte Streifen von Rot, als Gwynnor das Boot längsseits des Landungssteges brachte. Über ihnen neigte sich der rote Sandstein steil, mit einer unterbrochen terrassierten Oberfläche zurück. Eine hölzerne Treppe kroch in trägen Zickzackkurven die Schräge hinauf. Sioned schaute ängstlich zum Himmel hinauf. „Ob uns die Sternenmenschen wohl hierher folgen würden?“
    Gwynnor schüttelte ungeduldig den Kopf. „Woher soll ich das wissen? Komm, weiter.“
    Sie machten sich daran, die Treppe hinaufzusteigen. Die Stufenbretter waren so befestigt, daß sie jeden Schritt zu einem dröhnenden Poltern machten, das von der reflektierenden Oberfläche des Gesteins widerhallte. Sioned streckte die Hand aus und ergriff Gwynnors Hand, da die Stille und die Echos an ihren Nerven zerrten und die

Weitere Kostenlose Bücher