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Maeve

Maeve

Titel: Maeve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Clayton
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sich mit wild brennenden Augen auf, wütend über diese Manipulation ihres Geistes und Körpers. Ihr gesamtes Leben hatte sie damit verbracht gegen die Forderung ihrer Kultur nach weiblicher Unterwürfigkeit zu protestieren, und sie ärgerte sich nun über diesen Versuch, sie wieder auf die Knie zu bringen. Sie ohrfeigte Gwynnor, erst auf die eine Wange, dann auf die andere, um ihn aus seiner Benommenheit aufzuschrecken.
    Seine Blicke schweiften an ihr vorbei.
    Die Synwedda stand in dem Bogengang jenseits des Zylinders, eine schmale, weiße Gestalt mit einer Wolke silberweißen Haars, das ihrem schmalen Kopf entsprang – wie gerahmt, da sie unter einem herunterhängenden Ast des fremdartigen Baumes stand.
    Während Gwynnor hinsah, wurden die Konturen ihrer Gestalt deutlicher, so daß die Klarheit ihrer Macht die Realität all dessen, was um sie herum war, verwischte. Die übernatürliche Kraft jagte einen Schauer nach dem anderen durch seinen Körper. Er wäre auf die Knie gefallen, hätte Sioned nicht – immer noch tief verärgert – starr aufrecht neben ihm gestanden; und er verspürte auch eine Verpflichtung, sie zu unterstützen.
    „Glockengeläut“, zischte sie. „Dummes, parfümiertes Räucherwerk. Blödsinn!“ Sie baute sich vor der Synwedda auf. „Ist das alles, was du tust? Ist das alles, was du tun kannst?“
    Die alte Frau wirkte erschrocken, dann errötete ihr Gesicht vor Zorn, und die übernatürliche Helle um sie herum ließ nach.
    Aber Sioned gab ihr keine Chance, ihre Mißbilligung auszusprechen. „Männer der Gesellschaft haben die Karawanen überfallen und das Maranhedd gestohlen. Was tust du, um dein Geschenk zu schützen? Nichts! Sie überfielen die Dörfer. Was tust du, um dein Volk zu schützen? Nichts! Die Tempel in den Dörfern sind eingestürzt. Was tust du? Nichts! Die Breudwyddas, deine Schwestern, sind vernichtet, eingeäschert! Was tust du? Erkläre es mir. Wie verhältst du dich? Ich sehe keine Flammen über Caer Seramdun. Ich sehe keine Gleiter vom Himmel regnen, keine Blitze, die in ihren Eingeweiden spielen. Ich sehe keine Zusammenballung von Stürmen über der Sternenstadt, die sich unausgesetzt auf dieses offene Geschwür auf Maeves Brust entleeren, bis der prasselnde Regen die Seuche weggespült hat. Ich sehe keine Erde sich unter der Stadt auftun, um das Übel zu verschlingen. Und jetzt kommen die Gleiter und holen die Kinder Maeves! Mein Vater ist tot! Meine Mutter ist tot! Ich bin gezwungen, wie ein Ilydogen Gawr auf den Feldern zu leben, andernfalls hätten sie mich längst in ihren Zwingern!“ Sie winkte mit einer Hand zu Gwynnor hin. „Sein Vater ist tot, und die Stadtmenschen kamen, ihn zu jagen. Wie viel muß noch geschehen, bevor du handelst? Das zu fragen, sind wir gekommen. Was hast du getan? Was wirst du tun?“
    Der wilde Zorn schwand aus Sioned. Sie lehnte sich zurück, gegen Gwynnor, aber der Blick ihrer klaren, blattgrünen Augen schwankte nie vom Gesicht der Synwedda.
    Die Synwedda war still. Augen von der Farbe gealterten Bernsteins blickten langsam von Sioned zu Gwynnor. Gwynnor hielt Sioned fest, weigerte sich, zu weichen, weigerte sich, die Rechtschaffenheit und Schmach seiner Gefährtin zu verraten. Vor seinen Augen nahmen die Konturen der Gestalt vor ihm erneut diese übernatürliche Klarheit an. Sioned machte ein kleines, gequältes Geräusch.
    Dann verging die übernatürliche Klarheit der Gestalt, ließ nur eine alte Frau zurück, die still vor ihnen stand. Sie sprach noch immer nicht, winkte, wandte sich dann um und verschwand in dem hinter ihr mündenden Korridor. Gwynnor und Sioned sahen einander an, dann folgten sie ihr, beide zu müde, um weiter zu protestieren.

 
8
     
    Aleytys betrat den Raum und warf den Schlüssel auf das Bett. Sie stieß die Tür zu, und hängte ihr feuchtes Handtuch über den inneren Türknauf. „Grey?“
    „Hier.“ Er erhob sich hinter dem Bett. „Ich wollte sichergehen, wer es ist.“
    Sie ging zum Fenster und fegte den schweren Vorhang zur Seite. Ein Dutzend Meter entfernt erhob sich die Wand als dunkler Vorhang mit vereinzelten Flächen aufgespritzter Rotorange dort, wo Fenster ihre Formen auf den rauhen Sandstein malten. Das über ihr sichtbare Teilstück des Himmels war samtschwarz; kein Stern war zu sehen. Ein Sturm erhob sich draußen, in der Bucht. „Es wird bald regnen.“ Sie ließ den Vorhang zurückfallen und verschränkte die Arme über der Brust. „Du hast Tintin nach mir ausgefragt, und dich

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