Maeve
starrte sie an. „Das ist ein gutes Glas!”
„Geh nachsehen, ob er wirklich weg ist.”
Aleytys ging zum Vorhang und trat hinaus. Sie sah die kleine, graue Gestalt durch die anwachsende Menge schläfriger, lärmender Leute gehen. Ganz gleich, wie überfüllt die Straße war — er hatte eine ständige Leere um sich. Niemand kam näher als einen halben Meter an ihn heran, ohne auszuweichen. Sie schüttelte den Kopf und ging wieder hinein. „Er geht die Straße hinunter. Geht langsam, bleibt aber nicht stehen.”
„Gut.” Sie schrubbte dort, wo der kleine Mann seine Hände auf die Theke gelegt hatte, heftig herum.
Aleytys nahm ihr Bündel auf und legte es auf den Hocker. „Wer ist er?”
„Gesellschafts-Laus. Spion.” Sie warf den Lappen hin und drehte das Feuer unter dem sprudelnden Wasser herunter. Während sie neue Blätter in den Topf schaufelte, sagte sie langsam:
„Besser, du machst dich auf den Weg zu Tintin. Sag ihm, ich hätte dich geschickt. Komm gegen Sonnenuntergang zurück. Müßte bis dahin eine Idee haben, wo du Arbeit findest.”
„Danke. Bis später.” Aleytys schulterte ihr Bündel und ging hinaus.
3
Gwynnor stieß die Tür auf und trat in das rauchige, laternenerhellte Innere. Mehrere junge Cerdd saßen um die Feuerstelle und stritten heftig; einzelne Stimmen verloren sich im Lärm des allgemeinen Geplappers. Als sich seine Augen an das Licht gewöhnt hatten, erkannte er Siarl, der mit dem Rücken gegen die Ziegelsteinwand gelehnt dastand; Tue, Huw, Iwan, Ofydd und Twm saßen auf den gepolsterten Bänken, die in einem Kreis um das Feuer herum aufgestellt waren.
Er zögerte einen Augenblick lang, dann ging er zu ihnen hin
über.
Siarl sah ihn zuerst. „Gwynnor?”
„Höchstpersönlich. Annerch, Siarl.”
„Annerch, alter Freund.” Während die anderen herstarrten, schlängelte sich der junge Cerdd an Bänken und Stühlen vorbei, um dem Neuankömmling die Hand zu schütteln. Siarl zog Gwynnor in den Kreis. „Eh, jetzt werden wir ein paar echte Neuigkeiten bekommen.”
Gwynnor schüttelte den Kopf. „Ich hatte eine ganze Weile nichts mehr mit der Sache zu tun. Die Neuigkeiten, die ich habe, bekam ich von Treforis.”
Ofydd lehnte sich vor, sein langes Gesicht unter einem Hohnlächeln verzogen. „Du bist mit Dylaw gegangen.”
Twm schnaubte. „Laß den Mann reden.”
„Mann? Huh!”
„Würdest du mit mehr als nur bissigem Nörgeln ankommen, könnte man dir vielleicht zuhören wollen.” Twm knurrte. „Was ist mit Dylaw? Was macht er, Gwyn?”
Ofydd lehnte sich beleidigt zurück.
Gwynnor setzte sich neben Twm. „Dylaw hat von einem Schmuggler Pfeilgewehre gekauft. Er hat vor, die Stadt in einem Handstreich anzugreifen und den Sternenhafen zu überfallen.”
Iwan klatschte seine Hand auf den Schenkel. „Ich hab’s euch gesagt. Hab ich’s euch nicht gesagt?” Er funkelte die überschatteten Gesichter der Reihe nach an. „Dylaw unternimmt wenigstens etwas, der wirft nicht bloß mit Worten herum.”
Ofydd lächelte bitter. „Ist das der Grund, weshalb du ihn verlassen hast, Gwynnor?”
Siarl machte eine ungeduldige Bewegung. „Halt den Mund, Ofydd. Erzähl du uns, Gwyn. Meinst du, Dylaw bringt ihnen wirklich Narben bei?”
Gwynnor zuckte mit den Schultern. „Rohbisse. Würde er auch nur einmal richtigen Ärger machen, würden sie ihn zerquetschen wie eine Laus. Denkt ihr daran, etwas zu unternehmen?”
Tue lehnte sich eifrig vor. „Ich sage, wir sollten die Cerdd von der ganzen Maes zusammenholen und diese verdammte Stadt in Trümmer schlagen, bevor sie uns so schlimm fertigmachen, daß wir alle im nächsten Winter verhungern.”
Den Blick traurig von einem besorgten Gesicht zum nächsten wendend, schüttelte Gwynnor den Kopf. „Das ist eine großartige Idee, wenn ihr nicht verhungern wollt. Ihr alle wärt ein Ascheregen, der aufs Geratewohl im Winterwind treibt. Ihr habt ihre Waffen gesehen, als sie euch überfallen haben.”
„Ich sage trotzdem …”
„Wir haben dich gehört, heilige Maeve, oder etwa nicht?” Die kühle, sarkastische Stimme hieb durch die erhitzte, rauchige Luft.
Mit vor unerwarteter Erregung hämmerndem Herzen stand er auf. „Syfarch, Sioned.”
„Annerch, Gwynnor.” Das Mädchen stand in der Mitte des Raumes, die Hände in die Hüften gestemmt, spöttische Augen auf sie alle gerichtet. „Bist du gekommen, um die Tapferen den Krieg der Worte kämpfen zu hören?”
„Treforis hat mir von Thisiart erzählt. Es tut mir
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