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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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Frage hoher Priorität.« Keiner in seiner Partei wagte es, etwas anderes zu behaupten. Zumal Praticò ebenfalls aus Kalabrien stammte. »Sie haben keine Mehrheit, aber wenn wir ihnen eines Tages diese Mehrheit verschaffen, könnte es sein, dass er sich als guter Landsmann herausstellt … Wenigstens können wir notfalls zu ihm gehen, um ihm die Ohren langzuziehen und ihm richtig in den Arsch zu treten.«
    Ein Kandidat wie Praticò, darin stimmen die beiden Paten Calabrese und Gangemi überein, ist gut für ihre Organisation. »Immerhin besser als einer der anderen Scheißkläffer. Geben wir ihm also unsere Stimmen, wie denkt ihr darüber?« Kandidaten, die mit Hunden verglichen werden. Eine Beleidigung jener Personen, die den Bossen gegenüber keine Treue mehr leisten. »Lardo muss dazu gebracht werden, sich umzubringen.« Mit »Lardo« (dt.: Speck) meinen die beiden Mafiosi, wie die Ermittler glauben, den Präsidenten des Regionalrats von Ligurien, Rosario Monteleone. Monteleone machte sich als Finanzier einen Namen, mittlerweile ist er UdC-Abgeordneter. Wie aus der Unterhaltung der beiden Mafiosi hervorgeht, hatte Monteleone ihnen Gefälligkeiten versprochen, aber nach seiner Wahl davon nichts mehr wissen wollen. Einen solchen Bruch von Vereinbarungen mit den Mafiosi nennen diese »Nachlässigkeit«, nach den ehernen Regeln der ’Ndrangheta ist das eines der schwersten Verbrechen.
    Ein Kandidat nach dem Geschmack der Paten war jedoch Aldo Praticò. »Auf diesen Aldo, der als Freund nach Reggio gekommen ist, haben wir ein Auge«, erklärt Gangemi Moio und wies sie darauf hin, dass es sogar entsprechende Anweisungen aus Reggio di Calabria gab, Praticòs Kandidatur zu unterstützen. Im betreffenden Untersuchungsbericht ist von »Interventionen von Personen aus Reggio di Calabria« die Rede, die »eine bedeutsame Rolle im kriminellen Geflecht der Mafia spielen«.
    Dieser Pakt zwischen Mafia und Praticò wurde von verschiedenen Seiten unterstützt. Die Tochter von Moio spielte in diesen Plänen keine Rolle mehr. »Wichtig ist, dass sie auf dem Wahlzettel statt dem Parteinamen ›Volk der Freiheit‹ den Namen Praticò schreiben und den dann ankreuzen. Punkt.« So erklärte der Stadtrat Mimmo Gangemi, wie er seine Gefolgsleute vor der Wahl instruieren solle. »Und im Übrigen müssen sie auf jedem Stimmzettel mehrere Kreuze machen, weil die Vorsitzenden der Kommunisten die Auszählung überwachen werden. Dann fällt es nicht so auf.« Der Boss fasste den Plan noch mal zusammen: »Also sage ich ihnen, dass sie
Popolo della Libertà
durchstreichen und Praticò ankreuzen sollen.« Daraufhin wird er vom Kandidaten gelobt: »
Bravissimo
. So schaffen wir es zusammen in den Stadtrat.«
    Doch der Plan ging nicht auf. Praticò erhielt keine ausreichende Stimmenzahl, um ins Regionalparlament gewählt zu werden. Irgendetwas war schiefgelaufen. Der Untersuchungsrichter stellte fest, dass bei einer Untersuchung von 2 228 ungültigen Stimmzetteln fünfhundert denselben »Fehler« aufwiesen. Neben den Namen des Kandidaten für das Regionalpräsidentenamt hatten diese »Wähler« den Namen Praticò geschrieben (statt darunter auf den freien Platz am Ende der Liste).
    Greifbar wird die Nähe der beiden Gruppierungen – Politik und Mafia – auf Fotos von der
Festa Mediterranea
. Ein Event, das von den Städten Genua und Reggio di Calabria veranstaltet wird. Auf einem dieser Fotos ist der Stadtrat Praticò direkt neben dem Paten Domenico Gangemi zu sehen. Die ersten belegbaren Kontakte zwischen Gangemi und dem Stadtrat sollen während der Organisationsphase der Veranstaltung zustande gekommen sein. »Ich habe Domenico Gangemi viermal gesehen, als ich Obst und Gemüse in seinem Laden kaufte. Ich hab zweimal mit ihm Kaffee getrunken, um das Fest der Kalabresen vorzubereiten«, rechtfertigt sich Praticò nach der Operation »Crimine«, aus der diese Erkenntnisse hervorgingen. Und obwohl er im Rahmen der Genueser Anti-Mafia-Operation zum Kreis der Verdächtigen gehörte, ließ er sich nicht entmutigen. »Mir geht es gut, aber moralisch bin ich am Boden zerstört. Sie wollen mich hier weghaben. Ich habe die Staatsanwälte gebeten, mich sofort zu vernehmen, um die Sache ein für allemal aus der Welt zu schaffen. Schließlich will ich bei der Wahl 2012 wieder antreten.«
    Dagegen erklärte Stadtrat Saso, weder irgendwelche Stimmengeschenke erhalten zu haben, noch jemals darum gebeten zu haben. Er fügte hinzu, dass er nach ihrem zweiten

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