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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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an der ligurischen Küste durcheinanderwirbelten. Das Ende des Berichts des Innenministeriums fällt noch negativer aus und ist symptomatisch für die polizeiüberwachte Freiheit, in die bestimmte ökonomische Sektoren angesichts des Vormarschs der Mafia-Organisationen gezwungen werden. »Nimmt man alle erwähnten Teile zusammen, so scheinen sie geeignet, bestimmte Formen der Beeinflussung des Entscheidungsprozesses der Verwaltungsorgane zu begünstigen, die vom Funktionieren und der Unparteilichkeit der Gemeindeverwaltung abhängen und bei öffentlichen Ausschreibungen zu Abweichungen führen.«
    Am 3. Februar 2012 wurde auch der Gemeinderat von Ventimiglia aufgelöst. Nach dem von Bordighera war dies nunmehr der zweite Gemeinderat an der ligurischen Küste, dem man mafiöse Beeinflussung nachweisen konnte. Im Bericht der Carabinieri von Imperia fanden sich die typischen Merkmale wie nicht angezeigte Bedrohungen, Stimmenkauf und heimliche Absprachen. Im Bericht wird auch auf die letzten Regionalwahlen in Ligurien eingegangen, bei denen Fortunata Moio kandidierte, die Tochter von Vincenzo Moio, dem ehemaligen stellvertretenden Bürgermeister von Ventimiglia.
    Sie hatte sich auf der Liste »
Bertone
-Vereinigung der Pensionäre« aufstellen lassen. Die Staatsanwälte warfen ihr vor, dass Moio ein Paket gekaufter Stimmen von Domenico Belcastro erhalten habe. »Wir stützen uns auf einen … Ihr wisst, wer es ist … Der, der immer nach Siderno fährt … Er kennt euch … Erinnert ihr euch an Moio? Das ist ein Freund, der sich einsetzt … Jetzt kandidiert die Tochter … Wir unterstützen sie, wir kümmern uns drum, obwohl Mimmo Gangemi dagegen ist … Mit dem gab’s ’ne ziemliche Diskussion (…).« So wird Belcastro in den Aufzeichnungen des Spezialkommandos der Polizei zitiert. Anhand seiner Aussagen lässt sich belegen, welche Aufmerksamkeit die ’Ndrangheta damals schon der Lokalpolitik widmete, auch in Ligurien.
    Es kam in der Folge zum Streit zwischen den beiden Exponenten der ligurischen ’Ndrangheta, weil jeder von ihnen einen anderen Kandidaten unterstützen wollte. Gangemi sprach sich für Monteleone aus, den ehemaligen Finanzberater, der in Beratungen mit den Paten attraktive Versprechungen gemacht hatte. Belcastro hingegen favorisierte Fortunata Moio. Mit ihrer Hilfe wollte er der ’Ndrangheta Sitz und Stimme im Gemeinderat verschaffen. Fortunatas Vater soll den Ausführungen Belcantos zufolge ohnehin Mitglied der Mafia sein. Im Juni 2011 beantragten die Staatsanwälte einen Haftbefehl für ihn, was der zuständige Untersuchungsrichter jedoch ablehnte. Moio trat 2009 vom Posten des stellvertretenden Bürgermeisters aufgrund von Divergenzen mit Bürgermeister Scullino zurück, der seinerseits sein Amt im Juni 2011 niederlegte. Bereits nach der Operation »Crimine« war der Ruf nach einer Auflösung des Gemeinderats von Ventimiglia wegen mafiöser Unterwanderung immer lauter geworden. Die zusammengestellten Aussagen von Kronzeugen, Dokumente und Fotos waren an Eindeutigkeit kaum mehr zu überbieten und brachten die Lokalpolitik in ziemliche Verlegenheit. Die Einsetzung einer vorbereitenden Kommission und die Ersetzung des Bürgermeisters durch den Staatskommissar standen schon 2010 unmittelbar bevor. 2012 findet die nächste Wahl statt, und Moio hat ihren Wahlkampf schon begonnen, zusammen mit einem anderen Assessor, der vom zurückgetretenen Bürgermeister entlassen worden war.
    Am Ende landete Fortunata Moio nur auf den hinteren Plätzen bei den Wahlergebnissen. Die Stimmen der Bosse waren anderen zugute gekommen. Wem genau, ist bislang nicht geklärt. Aus den Unterlagen der Polizei werden die Namen Alessio Saso, Abgeordneter der PdL in der Region Ligurien, sowie Aldo Praticò, Stadtrat in Genua, erwähnt. Beide gehörten während der von der Anti-Mafia-Behörde in Genua initiierten Operation »Maglio 3« zum Kreis der Verdächtigen. Die Paten sprachen von ihnen in einigen abgehörten Unterhaltungen, und das Sondereinsatzkommando dokumentierte eine Reihe freundschaftlicher Begegnungen. Praticò beklagte auf einer Pressekonferenz ein angebliches Medienkomplott gegen ihn und gab dann Kostproben seiner politischen Philosophie zum Besten: »Wenn ich Wahlkampf mache und Postkarten mit meinem Bild verteile, spreche ich mit allen Gruppen unserer Einwohnerschaft und frage niemanden nach seinem Vorstrafenregister. Vielleicht gibt es sogar ein ’Ndrangheta-Problem in Ligurien, aber das ist für mich keine

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