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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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Befehlshaber der Carabinieri in Bardonecchia, Leonardo Fontana, dem damaligen Bürgermeister Gibelli und anderen wichtigen Figuren der Gemeindeverwaltung. Dank dieser Bekanntschaften gelang es Lopresti, die meisten Ausschreibungen dieses Gebiets zu gewinnen und auf diese Weise die Subaufträge und die Handlangerarbeiten exklusiv an Firmen oder Personen aus Kalabrien zu verteilen. Die Ermittler fanden in der Lopresti-Villa verräterische Dokumente. Darunter zahlreiche Kostenvoranschläge anderer Firmen für bestimmte Aufträge. Kostenvoranschläge, die er eigentlich nie hätte zu Gesicht bekommen dürfen.
    Den größten Skandal lösten die Erweiterungsbauten am traditionsreichen Berghotel
Campo Smith
aus, das dafür bekannt ist, dass hier 1939 der erste Skilift in den Piemonteser Alpen errichtet wurde. Der Auftrag für den neuen Hotelkomplex nach öffentlicher Ausschreibung an eine Kapitalgesellschaft mit einem Stammkapital von zwanzig Millionen Lire (10.000 Euro). Sie hieß
La Marina di Alessandro
(dt.: Der Hafen von Alexander) und gehörte einem gewissen Bruno Aguì. Auch die Überlassung des Baugeländes von der Gemeinde an Aguì war mit Merkwürdigkeiten verbunden und zog die Aufmerksamkeit der Ermittler auf sich. Aus der Grundstücksüberlassung ging hervor, dass die Gemeinde Aguì ein sehr wertvolles Geschenk gemacht hatte. Ein Gutachten, das den Wert des Baulandes mit 3,6 Milliarden Lire (1,8 Millionen Euro) bewertete, wurde von Bürgermeister Gibello angefochten. Die Untersuchungen brachten zum Vorschein, dass beim gesamten Auswahlverfahren gegen zahlreiche Vorschriften verstoßen worden war. Unter anderem gegen die Bestimmungen des Naturschutzes und des Städtebaus. Hinzu kam, dass die entsprechenden Entscheidungen der Gemeinde hinter verschlossenen Türen ausgekungelt worden waren.
    Am 30. September 1994 nahm die OK-Abteilung der Finanzpolizei Bürgermeister Gibello, Aguì und andere Beteiligte fest. Gibello wurde beschuldigt, sein Amt missbraucht zu haben. Am 28. April 1995 löste der Ministerrat auf Vorschlag der Präfektur den Stadtrat von Bardonecchia auf. Es war der erste Fall dieser Art in Norditalien. In der Folge fanden sich weitere Unternehmen, deren stiller Teilhaber Lopresti war. Bald darauf begann der Prozess. Verurteilt wurden der Bürgermeister und der Staatskommissar für die Skiweltmeisterschaften 1997 von Sestriere. Der geheimnisvolle Unternehmer Aguì kam mit einer Geldstrafe davon.
    Das Urteil ordnete den Abriss jenes Teils des Hotelkomplexes an, der auf einer öffentlichen Grünfläche errichtet worden war. In zweiter Instanz wurde das Urteil wieder aufgehoben, hatte aber zumindest insoweit Folgen, als der Bürgermeister nicht wiedergewählt wurde. Das zweite Verfahren gegen Lopresti und andere, in welchem versucht wurde, die Errichtung einer Mafia-Zelle in Bardonecchia nachzuweisen, fand im Jahr 2000 statt, jenem Jahr, in dem es auch zu seiner Verurteilung kam. Das Urteil befand: »Vielfältig sind die Gründe, die uns dazu bringen, davon auszugehen, dass es seit den siebziger Jahren eine etablierte Organisation der kalabrischen Mafia auf dem Gebiet von Bardonecchia gibt, welche zunächst dem Befehl von Francesco Mazzaferro, und später dem von Rocco Lopresti unterstand. Zudem konnte festgestellt werden, dass es eine belegbare Einmischung der Beteiligten an politischen Entscheidungsprozessen und Wahlen gab. Und dass dies im Zusammenhang mit Personen geschah, die in der Gunst der Mafia-Zelle standen. Dazu gehörte der Einsatz von gekauften Wählerstimmen bei den Gemeinderatswahlen 1994.«
    Die Erinnerung an den ersten Gemeinderat, der wegen mafiöser Unterwanderung aufgelöst worden war, ist in einem Land, das sich phasenweise gleichgültig oder blind zeigt gegenüber den tatsächlichen Funktionsstörungen seiner Organisationsform, nahezu in Vergessenheit geraten. In einem Land, das über ein so kurzes Gedächtnis verfügt, ist der Fall Bardonecchia in den Tiefenschichten des kollektiven Erinnerns abgelegt worden. Nur um 15 Jahre später wieder machtvoll an die Oberfläche zu kommen. Im Juni 2011 geriet der piemontesische »Minotaurus« in die Schlagzeilen. Halb Mensch, halb Tier. Die ’Ndrangheta im Schatten der Alpen ist ein echter Minotaurus. Das trug der Operation, die zur Festnahme von 150 Mafiosi und »externen Mitläufern« führte, ihren Namen ein. Eine Untersuchung, die die Erinnerung an die Operation »Crimine« aus dem Jahr 2010 hervorruft.
    Rund um den »Minotaurus« konnte

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