Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
darauf, die Fußtruppen zu überwachen, und hielten den Kontakt zum Mutterhaus unter dem Kommando von Francesco »Sandokan« Schiavone.
Schon nach der ersten Verhaftung von »Peppinotto« Caterino war in Modena ein Machtvakuum entstanden. Der Großrat des Clans beauftragte Raffaele Diana damit, die alleinige Aufsicht über die örtlichen Mafia-Aktivitäten zu übernehmen. Die Einnahmen der Mafia-Zelle in Modena stammten damals neben dem illegalen Glücksspiel hauptsächlich aus dem Bereich der Bauwirtschaft, in welchem der Clan mit Schutzgelderpressung, Materialbeschaffung und der Übernahme von Subaufträgen aktiv war. Zement, Schutzgeld und Auftragserschleichung brachten dem Clan damals die meisten Profite ein. Nachdem auch »Rafilotto« verhaftet worden war, übernahmen Alfonso »O Pazzo« (dt.: Der Verrückte) Perrone und Sigismondo di Puorto das Kommando, beides Gefolgsleute von Antonio »O Ninno« Iovine, der 2010 nach 15-jähriger Flucht als oberster Boss des Casalesi-Clans verhaftet wurde.
Francesco Vallefuoco wiederum ist das Haupt der gleichnamigen mafiösen Unternehmensgruppe, die sowohl in der Emilia-Romagna wie auch in San Marino aktiv ist. Aus abgehörten Gesprächen geht hervor, dass ein gewisser »Renato« danach die Macht übernahm, der zu Iovine gehörte. Nach dem ersten Zusammentreffen mit dem neuen Boss vertraute Vallefuoco freudestrahlend seiner Lebensgefährtin an: »Alle Probleme sind gelöst, ich hab die Nummer des neuen Clan-Chefs.« Der Name »Renato« reichte jedenfalls künftig aus, um bei Verhandlungen mit Mafia-Bossen, Unternehmern und Handwerkern den Ausschlag zu geben. Den Kontakt zwischen Vallefuoco und dem neuen Clan-Chef hatte Francesco di Tella hergestellt, ein Unternehmer, der sich regelmäßig mit Vallefuoco traf, wie ein Anti-Mafia-Verfahren in Neapel ergab.
Zu di Tella hieß es in den Akten des Verfahrens weiter: »Allzeit bereit zu allen möglichen Aktivitäten (Gewalttaten oder Geschäften)«, »der Verbindungsmann zum Casalesi-Clan« und »mit seinen Betrieben an der Geldwäsche beteiligt«. Di Tella wurde Anfang Oktober 2011 im Zuge der Operation »Staffa« festgenommen. Den Abhörmitschriften zufolge erwähnte Vallefuoco auch einen gewissen »Remigio«. Wie in anderen Fällen vermieden es die Beschuldigten sorgsam, die entsprechenden Familiennamen der erwähnten Personen zu nennen. Zu »Remigio« hieß es, dieser sei mit den Schutzgelderpressungen im Raum Modena beauftragt und arbeite für Nicola Esposito, den Bruder von Vallefuocos Geliebter, wie die Ermittler der Soko »Staffa« vermerkten.
»Remigio« sorgte zeitweise für heftigen Streit unter den Clans. Einer seiner Gefolgsleute hatte versucht, einen Unternehmer zu erpressen, der zu den »Freunden« des Clans gehörte und daher von solchen Belästigungen verschont werden sollte. Das brachte »Remigio« in ziemliche Schwierigkeiten. Vallefuoco setzte seine Fußtruppen in Marsch, »Remigio« kam heulend angelaufen und flehte Vallefuoco an, ihm zu glauben. Er habe überhaupt nichts von der Sache gewusst, es sei ihm völlig unbekannt gewesen, dass der Unternehmer sowohl zu »Rocco wie auch zu Nicola« gehöre. Mit dieser mafiatypischen Unterwerfungsgeste rettete »Remigio« sein Leben.
Francesco »Franco« Vallefuocos Name wurde erstmals im Februar 2011 während der Operation »Vulcano« der Anti-Mafia-Direktion Bologna aktenkundig. Damals gehörte er zu den Verhafteten. Insgesamt 29 Verdächtige wanderten hinter Schloss und Riegel. Darunter waren auch einige bis dato völlig unverdächtige Honoratioren der Republik San Marino, die für die Clans Finanzunternehmen führten, die alle im Zusammenhang mit Vallefuoco standen.
Vallefuoco war bis zu diesem Zeitpunkt sehr umtriebig, was seine geschäftlichen Aktivitäten anbelangt. Sie reichten vom Immobiliensektor über Handelsunternehmen bis hin zum Finanzsektor. Den Erkenntnissen der Ermittler in Bologna und Neapel zufolge dienten diese legalen Unternehmungen zur Verschleierung von Geldwäsche, Zinswucher und Erpressung. Nachdem schon 2009 und 2010 einige Beteiligte verhaftet worden waren, traf im April 2011 Egidio Coppola mit seiner gesamten Familie im Raum Modena ein. Er galt als Spitzenmann der Camorra-Clans und hatte schon in der Vergangenheit Haftstrafen wegen mafiöser Verstrickungen absitzen müssen. Gerade wieder auf freien Fuß gekommen, stand er damals unter spezieller Überwachung. Sein »neues« Leben wollte er in Bomporto beginnen, einer Kleinstadt
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