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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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Emilia-Romagna tätigen Unternehmer unter Druck zu setzen, waren neben der physischen Einschüchterung vor Ort in Norditalien die Herkunft der Unternehmer aus einem Dorf in den Mafia-Regionen Süditaliens. Diese machte die Unternehmer zusätzlich erpressbar, da die Mafien in solchen Fällen auch die restlichen Familienmitglieder im Geburtsort bedrohen können.
    Gerade die aus dem Süden emigrierten Unternehmer zu erpressen, folgt einer präzisen Logik: Die Herkunft der Firmeneigentümer aus Mafia-Regionen garantiert den Mafia-Bossen, dass die betroffenen Unternehmer mit dem gewohnten »Entgegenkommen« auf Angebote reagieren, »die man nicht ablehnen kann«. Für die Unternehmer ist das umso schlimmer, da sie sich eigentlich sicher wähnten, bestimmte mafiöse Geschäftspraktiken in der Heimat zurückgelassen zu haben, nur um nun erneut Opfer der Clans zu werden. In Modena und Umgebung brauchte der Casalesi-Clan, um seine Regeln durchsetzen, daher nur selten die üblichen Instrumente einzusetzen. Er konnte daraufbauen, dass die Konsequenzen unkooperativen Verhaltens den Betroffenen bekannt waren. Mittlerweile wird das Schutzgeld als »Serviceangebot« auch an Firmen herangetragen, die in der Emilia-Romagna heimisch sind, so dass immer häufiger auch solche Unternehmen den Clans in die Falle gehen.
    Man hatte ihn, den erfolgreichen Unternehmer aus Kalabrien, gewarnt. Die gerade vergebenen, profitablen Renovierungsarbeiten hatte eigentlich die Firma von Vincenzo Esposito haben wollen, einem Unternehmer aus Afragola (bei Neapel), seit 1991 Besitzer der Baufirma
Edil Prima 2
in Modena. Der Preis, den der siegreiche Konkurrent zu bezahlen hatte, weil er die Mafia-Fraktion ausgestochen hatte, war hoch. In der Notaufnahme des örtlichen Krankenhauses mussten sein Schädeltrauma und die Gesichtsverletzungen behandelt werden. Die Täter des »erzieherischen« Überfalls waren den Ermittlungen der regionalen Anti-Mafia-Direktion zufolge Brüder des »Unternehmers« Esposito. »Weil jeder schauen muss, wo er bleibt«, hatte der Konkurrent einem der Brüder als Grund angegeben, weshalb er den Auftrag trotz Vorwarnung übernommen hatte. Daraufhin habe ihm der Schläger geantwortet: »Aber nicht zu viel schauen, davon kann man blind werden.« Die Verletzungen, die die Kriminellen ihrem Opfer zufügten, waren so schwer, dass dieser selbst nicht mehr in der Lage war, einen Krankenwagen zu rufen. Weil sie polizeiliche Ermittlungen verhindern wollten, brachten die Schläger den misshandelten Unternehmer zum Krankenhaus von Baggiovara, einem Vorort von Modena. Und sorgten dafür, dass ihr Opfer das »Richtige« sagte. Der Unternehmer gehorchte. Er erklärte den Ärzten, er sei durch einen unglücklichen Zufall aus dem Auto gefallen und habe sich dabei seine Verletzungen zugezogen.
    Der Unternehmer erstattete auch danach keine Anzeige. Trotz der erlittenen Verletzungen hielt er sich an das Schweigegebot der
Omertà
. Als ich das Café seiner Frau aufsuchte, um sie für ein Interview zu gewinnen, lehnte sie rundheraus ab, obwohl ich ihr die Wahrung ihrer Anonymität zusicherte. Das einzige, was sie sagte, bevor sie mich aus dem Laden schob, brannte sich in mein Gedächtnis ein: »Sie sind Bestien, wir haben Angst.« Sätze wie diese gehören in Casal di Principe und Bovalino zum Alltag. In Modena waren sie die Vorzeichen dafür, dass sich die Situation aus Mafia-Sicht »normalisierte«.
    Die Esposito-Brüder standen im Fokus der Operation »San Cipriano«, die von der regionalen Anti-Mafia-Direktion in Bologna koordiniert wurde. Dabei gelang es, den Umfang der Erpressungsaktivitäten und der sonstigen Geschäfte des Casalesi-Clans zwischen Modena und Mantua in großem Umfang aufzuklären. Allerdings mussten die Brüder aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden. Verurteilt wurden dagegen die lokalen Statthalter des Clans: Alfonso »O Pazzo« Perrone, und Sigismondo di Puorto. »Herr Präsident, Sie müssen mir helfen«, schrieb »O Pazzo« daraufhin an den italienischen Staatspräsidenten Giorgio Napoletano, »denn ich kann durch Fakten belegen, dass ich ein echtes Justizopfer bin. Mehr habe ich nicht hinzuzufügen, außer der Bitte, dass Sie sich meines Falles annehmen und mir die Möglichkeit geben, mein gesetzestreues Leben in Ruhe und Frieden fortzusetzen, ohne künftig dem Terror der Polizei ausgesetzt zu sein, die mich permanent beleidigt und misshandelt und in meinem Fall seit Jahren echten, willkürlichen und ungerechten

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