Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)
Führungsschicht innerhalb der örtlichen Mafia-Zelle etabliert. Die kurzzeitig unterbrochenen illegalen Geschäfte wurden umgehend wieder aufgenommen.
Die beiden Fraktionen, die sich bei der Schießerei gegenüber gestanden hatten, gehörten einerseits zur Gruppe der Familien De Falco, Caterino und Maisto, andererseits zur Gruppe der Familien von Francesco Schiavone und Francesco Bidognetti. Erstere hatten zuvor die Geschäfte für den Clan geführt, letztere, so die Einschätzung der Staatsanwaltschaft, setzten sich am Ende durch.
Während des bislang größten Mafia-Prozesses in Italien, dem sogenannten »Spartacus«-Prozess gegen den Casalesi-Clan im Jahr 2008, wurde festgestellt, dass Modena bereits »seit 1989 zur neuen Heimat einer zunehmenden Zahl von Einwohnern Casal di Principes geworden ist, die dem Camorra-Clan der Casalesis zugeordnet werden können«. Giuseppe Caterino, per Gerichtsbeschluss aus Kalabrien nach Modena verbannt, wurde 1991 zusammen mit Pasquale Spierto wegen illegalem Waffenbesitz an der Autobahn-Mautstelle Modena-Nord verhaftet. Die Abhörmaßnahmen, die zu seiner Verhaftung führten, ergaben, dass zu den fraglichen Delikten auch einige dem Clan gehörende illegale Spielcasinos zählten, von denen eines in den Katakomben des Stadions an der Via Pergolesi betrieben wurde.
Zu den anderen in Modena ansässigen Mitgliedern des Casalesi-Clans zählten Francesco Compagnone, Giuseppe Caterino, Vincenzo Maisto und Nicola Nappa. Alle waren auf die eine oder andere Weise in die Schießerei verwickelt. Vincenzo und Alfredo Maisto gehörten zur De-Falco-Fraktion, während Nicola Nappa, Nicola Biondino und Giorgio Marano dem gegnerischen Schiavone-Bidognetti-Caterino-Clan unterstanden. Letztere unternahmen in dieser Nacht den Versuch, die Maistos zu töten und somit der De-Falco-Familie die Vorherrschaft in Modena zu entreißen.
Dario de Simone, ein Kronzeuge, der im »Spartacus«-Prozess aussagte und der 1994 den ehemaligen Staatssekretär im italienischen Wirtschaftsministerium, Nicola Cosentino, der Zusammenarbeit mit der Mafia beschuldigte, machte auch Angaben zu den Vorkommnissen in Modena. Er behauptete, einer der Initiatoren des Anschlags gewesen zu sein. Während des Prozesses sagte de Simone aus: »Nicola Nappa wohnte damals – genau wie Raffaele Diana – in Bastiglia, einem Dorf nördlich von Modena, er kannte die Vertreter der De Falcos vor Ort [die Familie Maisto] und schloss sich ihren Rivalen Giuseppe Caterino und Raffaele Diana an.«
Die Gegner der De Falcos entschieden, zu handeln. Ein Killerkommando aus Trentola bei Neapel machte sich auf den Weg nach Modena, im Gepäck eine mit einem Zeitzünder versehene Bombe, die für die Statthalter der Familie De Falco, die Maistos, bestimmt war. Doch der Anschlag scheiterte. »Sie sagten mir, dass es unmöglich gewesen sei, den Sprengsatz unauffällig unter dem Auto anzubringen«, erklärte de Simone, »weil es in der offenen Tiefgarage unter dem Wohnhaus der Maistos stand und weil die Straße davor sehr befahren war.« Wäre die Bombe hochgegangen, hätte das den Einsturz des Wohnhauses über der Tiefgarage zur Folge gehabt. Viele Menschen wären dabei ums Leben gekommen.
Ein zweiter Anschlag schlug ebenfalls fehl. Ein Informant vor Ort hatte das »Mutterhaus« darüber unterrichtet, dass ein Familienmitglied der De Falcos an der Auffahrt Modena-Nord auf die Autobahn gefahren sei. Die Männer um Schiavone und Diana verwechselten jedoch das Fahrzeug und beschossen irrtümlich eine Zivilstreife der Carabinieri. Dadurch ließen sie sich aber nicht von ihrem Vorhaben abbringen und versuchten es noch ein weiteres Mal. Bis an die Zähne bewaffnet, brachen sie am 5. Mai 1991 Richtung Modena auf. Dort erhielten sie Verstärkung von örtlichen Vertretern des Clans, die den De Falcos ebenfalls feindlich gegenüberstanden. Dutzende von Pistolenschüssen und Salven aus Maschinenpistolen zerrissen die nächtliche Stille Modenas. Die Spurensicherung der Polizei fand später über fünfzig Patronenhülsen am Tatort. Zwei Verletzte lagen am Boden, Francesco Biondino und Vincenzo Maisto. Letzterer überlebte das Attentat.
Seit diesem Schusswechsel, der in die Annalen der Kriminalgeschichte Modenas einging, sind viele Jahre vergangen. Fast zwei Jahrzehnte. In dieser Zeitspanne ist die Region der Emilia-Romagna Schauplatz weiterer beunruhigender Vorfälle geworden. Schon in den ersten Ermittlungsberichten aus den Anti-Mafia-Prozessen der neunziger
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