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Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition)

Titel: Mafia AG: Camorra, Cosa Nostra und 'Ndrangheta erobern Norditalien (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovanni Tizian
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Jahre tauchen örtliche Bankdirektoren, Handwerker, Angestellte und Unternehmer als Beteiligte auf. Francesco Fonti, ein weiterer Kronzeuge aus den Reihen der ’Ndrangheta, hat nicht nur den Skandal um die von der Mafia vor der Küste Italiens versenkten Frachter voller Giftmüllfässer aufgedeckt, sondern auch in umfassenden Geständnissen auf die Zusammenarbeit von ’Ndrangheta und Teilen der Geheimdienste und des Staatsapparates hingewiesen. Er klärte die Staatsanwälte darüber auf, dass zu diesem Zeitpunkt die Kalabresen – und nicht etwa die Camorra – das Monopol des Drogenhandels in der Gegend rund um Modena, in Reggio Emilia und in Bologna innehatten.
    Viele Führungsmitglieder und herausragende Familien-Clans der ’Ndrangheta sind in der Emilia-Romagna aufgespürt worden. So auch der Clan der Cordis, eine mächtige ’Ndrangheta-Familie, die in Maranello, der Kleinstadt, in der Ferrari seinen Firmensitz hat, ein großes Waffendepot unterhielt. Während einer Anti-Mafia-Operation wurde ihr Anwesen 1993 durch-sucht. Die Ermittler zeigten sich schockiert über die Menge der dort lagernden Waffen, die für ein ganzes Heer ausgereicht hätten. Unter den damals Verhafteten befand sich auch Rocco Antonio Baglio, ein Name, der zusammen mit Fonti Geschichte geschrieben hat. 2011 stand er wieder im Mittelpunkt einer Untersuchung, gemeinsam mit einem Bürgermeister aus dem Apennin. Diesmal ging es nicht um Waffen, sondern um Ausschreibungen für Bauaufträge und Korruption.
    Bereits im Januar 1989 war es im Zuge von Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Clan-Gruppierungen aus Reggio di Calabria zu ersten Vorfällen auch in Modena gekommen. Das hatte die Stadt unsanft aus ihrer schläfrigen Ruhe geweckt, die normalerweise das äußere Erscheinungsbild der Stadt prägt. Giuseppe Barbieri war kurz zuvor von Fiumara di Muro (bei Reggio di Calabria) nach Modena umgezogen, und zwar in den Vorort Saliceta San Giovanni. Er war geflohen aus Angst davor, von einigen jener ’Ndrangheta-Clans hingerichtet zu werden, die in diesen Jahren einen erbitterten Krieg um die Vorherrschaft in Reggio di Calabria führten. Über sechshundert Tote kostete dieser Krieg in den Straßen der Stadt an der Meerenge von Messina, und das in nur fünf Jahren. Die Rache des Paviglianiti-Clans, der Verbündeten des De-Stefano- und des Tegano-Clans aus Reggio di Calabria kannte keine Grenzen.
    Schon damals hatten ’Ndrangheta-Familien aus Kalabrien das gesamte Land mit ihren weit auseinanderliegenden »Niederlassungen« überzogen. Die Lombardei unterstand den Paviglianitis und den Coco Trovatos. Über das Einwohnerverzeichnis spürten sie den Flüchtling auf, der vom Tegano-Clan beschuldigt wurde, das Leben eines seiner Mitglieder bedroht zu haben. Sie informierten die Paten von Mailand, Domenico Paviglianiti und Franco Coco Trovato. Die zwischen Mailand und Lecco ansässigen ’Ndrangheta-Mafiosi beauftragten zwei ihrer erprobten Killer, den Anschlag auszuführen. Während einer kalten Januarnacht 1989 warteten die beiden Profis stundenlang auf Barbieri vor dessen Haus. Als er es verließ, um in seinen Fiat 132 zu steigen, feuerten sie zwei komplette Revolvermagazine Kaliber 7,75 Millimeter auf ihn ab. Barbieri ging zu Boden. Auf dem Matsch und dem Schnee unter ihm breitete sich eine riesige Blutlache aus.
    Bleikugeln, Blut und Morast. Das sind die Charakteristika der Mafia. Ihre Bosse leben mit der permanenten Furcht, schon morgen nicht mehr unter den Lebenden zu weilen. Was ihre Söhne und Töchter angeht, so werden Gefühle notfalls im Namen der Macht geopfert.
    Machen wir einen Sprung in die Gegenwart. Wenn man die aktuelle Lage analysiert, stellt man fest, dass sich zwar die Namen der betreffenden korrupten Lokalpolitiker geändert haben, aber die Dominanz der Casalesi-Clans und der ’Ndrangheta trotz aller Gegenmaßnahmen in den vergangenen Jahrzehnten eher noch zugenommen hat. Schon die ersten in die Region Emilia-Romagna verbannten Bosse hatten in den siebziger Jahren damit angefangen, vor Ort die Grundlagen künftiger Macht zu schaffen. Aber nicht allein die unselige Verbannungspraxis war schuld an der mafiösen Durchdringung der nördlichen Territorien. Die wirtschaftliche Hochkonjunktur war der Anziehungspunkt, der die Clans und das Kapital der verschiedenen Mafia-Organisationen in den Norden lockte.
    Das Heer der Emigranten aus Kalabrien, Sizilien, Kampanien, der Basilikata und Apulien war auch aufgebrochen, um nicht länger

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